N26: Wann ist ein Kunde ein Kunde und wie belastbar ist die Zahl von 7 Millionen Kunden der Neo-Bank?

Bild: N26

Die Aussagekraft kommunizierter Kundenzahlen ist eher gering, deshalb auch kein Grund für allzu viel Euphorie. – Wo bitte geht's hier zu den harten Werten?

Challenger-Banken und FinTechs wachsen tendenziell schnell – das müssen sie auch, ohne schnelles Skalieren geht ihr Geschäftsmodell nicht auf. Deshalb gehört die Zahl der Kunden zu den "auffälligen" Kennziffern, die nicht ohne stolz kommuniziert werden.

Ende Januar 2021 hat die Smartphone-Bank N26 bekanntgegeben, dass sie die Sieben-Millionen-Marke bei der Zahl der Kunden überschritten hätte. Das ist erfreulich und dennoch nur sehr bedingt aussagekräftig. Diese geringe Aussagekraft trifft nicht nur auf N26 zu, sie gilt für alle Neo-Banken und auch für andere Anbieter von Finanzdienstleistungen. Warum?

Was haben N26, Revolut und Twint gemeinsam?

Als Trio auf den ersten Blick wenig, zumal Twint aus dem Rahmen der Neo-Banken fällt. Die drei FinTechs stehen hier lediglich beispielhaft für die FinTech-Branche und damit auch für andere Neo-Finanzdienstleister. Deshalb ist Twint als Mobile Payment-Anbieter mit im Beispiel, ohne auffällige Vergleichbarkeiten mit den Neo-Banken N26 und Revolut.

N26 meldet neu 7 Millionen Kunden, Revolut hat vor kurzer Zeit die Marke von 13 Millionen Kunden erreicht und die Schweizer Mobile Payment-Lösung Twint ist nach eigenen Angaben mit mehr als 3 Millionen registrierten Nutzern unterwegs. 

Die von N26 aktuell kommunizierte Zahl besagt erstmal nur, dass es einer international tätigen Neo-Bank durch Marketingaufwände und Weiterempfehlungen gelungen ist, sieben Millionen Menschen dazu zu bewegen, ein Konto zu eröffnen. Mehr nicht. Dasselbe gilt auch für Revolut mit 13 Millionen Kunden und für Twint mit mehr als 3 Millionen registrierten Nutzern in der Schweiz.

Die Gemeinsamkeit der drei FinTechs liegt darin, dass gemeldete Kundenzahlen als isolierte Grösse ohne grosse Aussagekraft im Raum stehenbleiben. Gewicht bekommen die Zahlen erst dann, wenn sie von den Absendern interpretiert und in grössere Zusammenhänge gestellt werden.

Von weichen und von harten Zahlen

Als Kunde gilt bei Challenger-Banken in der Regel, wer den KYC-Prozess durchlaufen hat und nun ein Konto besitzt. Ob dieses Konto auch aktiv genutzt wird, spielt erstmal keine Rolle. Dasselbe bei Twint, die ausgewiesenen mehr als 3 Millionen Nutzer haben sich registriert und könnten die Services in Anspruch nehmen – ob sie das tatsächlich tun, blieb bisher weitgehend offen.

Insofern gehören blosse Kundenzahlen zu den weichen Werten, ohne allzu viel Gewicht. Sie taugen halbwegs gerade noch als Vergleichsgrösse. Zum Beispiel lässt sich festhalten: Revolut hat's mit 13 Millionen Kunden geschafft, fast doppelt so viele Menschen anzuziehen wie N26 mit seinen neu gemeldeten 7 Millionen Kunden. Was diese Menschen nach der Kontoeröffnung treiben, ob und in welcher Zahl sie ihr Konto nutzen, bleibt weitgehend im Dunkeln. Das wären jedoch die wirklich interessanten Einsichten und die harten Zahlen, die den Unterschied zwischen Kunden und digitalen Karteileichen machen.

Warum FinTechs, auch grosse, sich scheuen, mit den harten Zahlen wirklich aktiver Kunden zu operieren, liegt auf der Hand. Die simple Erklärung: Neo-Banken und andere FinTechs stehen unter Erfolgsdruck – grosse Zahlen riechen sehr viel stärker nach Erfolg als kleine. Und weil die Konkurrenz auch mit den eindrücklichen Werten von Kontoeröffnungen oder Registrierungen operiert, will man es sich nicht leisten, die geringere Zahl der aktiven Nutzer zu publizieren. 

Von aktiven Kunden mit unterschiedlichem Temperament

Erste Transparenz-Tendenzen werden spürbar, wir kommen darauf zurück, dennoch wird diese Zurückhaltung noch einige Zeit Bestand haben. Zumal es nicht genügen würde, zwischen aktiven und inaktiven Kunden oder Nutzern zu unterscheiden. Dazu müsste erstmal definiert werden, was genau einen aktiven Kunden auszeichnet.

Ist ein Kunde bereits aktiv, wenn er die Leistungen seines Kontos einmal pro Jahr nutzt? Einmal im Monat? Gilt er erst dann als aktiv, wenn er wöchentlich oder täglich agiert? Diese Fragen brauchen nicht hier und jetzt geklärt zu werden – diese Beispiele sollen nur zeigen, dass ein Kunde mit einer jährlichen Kontobewegung nicht mit einem Power User verglichen werden kann.

Die neue Transparenz bei N26: Weniger als die Hälfte der Kunden aktiv?

Im Zusammenhang mit der Publikation des Lageberichts des N26-Konzerns für das Jahr 2019 war von N26 zu vernehmen: "Die Zahl der ertragsrelevanten Kunden stieg zum Jahresende auf circa 2,3 Millionen". Dieser Wert bezieht sich auf die Kundenzahl von 2019, damals hat N26 die Kunden mit insgesamt 5 Millionen beziffert.

Das bedeutet, weniger als die Hälfte der ausgewiesenen Kunden war 2019 ertragsrelevant. Ist dieses Verhältnis aktiver und inaktiver oder nicht ertragsrelevanter Kunden heute noch in etwa gleich, dann wären von den aktuell 7 Millionen kommunizierten Kunden mit rund 3,2 Millionen weiterhin weniger als die Hälfte aktiv oder ertragsrelevant.

Revolut, Twint und anderen FinTechs: Auch nur die Hälfte der Kunden aktiv?

Nicht unbedingt. Nur schon die Neo-Banken N26 und Revolut unterscheiden sich sehr stark in Angeboten und Leistungen, deshalb lässt sich die Zahl der ausgewiesenen Kunden von Revolut nicht ohne Weiteres halbieren. Twint fokussiert auf ein anderes Geschäftsfeld und ist noch weniger direkt vergleichbar. Dennoch darf man generell davon ausgehen, dass zwischen den stolzen Zahlen der ausgewiesenen Kunden und den harten Werten der tatsächlich aktiven Nutzer beträchtliche Differenzen bestehen.

Das ist weder gut noch schlecht, einfach nur eine Tatsache. Damit kann man auch umgehen, solange alle Neo-Banken und FinTechs nach dem bisherigen Rezept kommunizieren: die grossen Kundenzahlen werden gemeldet, der Anteil der aktiven Nutzer bleibt unter dem Deckel. Damit ist eine minimale Quasi-Vergleichbarkeit gegeben.

Entscheiden sich allerdings vereinzelte Player für eine neue Transparenz, wird's schwieriger mit mit den Vergleichen. Harte Zahlen von der einen Seite gehen dann in Konkurrenz zu selbst angestellten Vermutungen und abenteuerlichen Interpretationen für die andere Seite – das wird nichs. Deshalb, könnte die Branche sich auf ein gemeinsames Rezept für die Kommunikation von Zahlen einigen, wäre das prima.

Apropos Twint und Transparenz: Zum ersten Mal und nach Jahren des Schweigens hat sich Twint in Bezug auf Nutzer etwas tiefer in die Karten blicken lassen – in der kürzlichen publizierten "Mobile Payment Studie Schweiz 2020" von IFZ, die hier runtergeladen werden kann.