Vier Trends der Bankenbranche – vielfältige Herausforderungen für die IT

Carolin Nothof

Carolin Nothof über Banken, Digitalisierung, Learnings aus der Corona-Krise und warum es für Banken jetzt höchste Zeit ist, Kunden und Mitarbeiter digital zu verbinden.

Welche Strategien sollten Banken in den kommenden Jahren verfolgen, um ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern? Die führenden Beratungshäuser gelangen in ihren Studien alle zum gleichen Konsens, welche Trends Finanzinstitute weiterhin beschäftigen werden:

  • Die Digitalisierung ist und bleibt der wichtigste Treiber
  • Die Umsetzung von Regulierungen und Richtlinien ist eine Priorität
  • Der Kundenfokus sowie die Schaffung eines überzeugenden Kundenerlebnisses stehen im Vordergrund allen Tuns
  • Die Marktkonsolidierung, als Folge derer nur solche Banken bestehen bleiben, die sich durch Digitalisierung und Kosten-Ertrags-Verhältnis vom Wettbewerb absetzen können

All diese strategischen Stossrichtungen sind miteinander verwoben und hängen voneinander ab. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie bringen hohe und neue Herausforderungen für die IT- und auch für die Kommunikationssysteme der Banken mit sich. Dabei birgt jeder der vier Trends andere Komplexitäten für die ITK. Im Folgenden eine Marktbeobachtung dieser Zusammenhänge sowie ein paar Ideen und Gedankenanstösse.

Digitalisierung der Prozesse

Während im analogen Zeitalter sensible Informationen nur mit Kunden in der Filiale ausgetauscht wurden, befinden sich nun immer öfter sowohl der Kunde als auch der Kundenberater ausserhalb der sicheren Umgebung der Bank.

Dieser Trend hat sich nun rasant beschleunigt. Wie der Running Gag der vergangenen Monate besagt: die Digitalisierung wurde nicht durch den CEO oder CTO, sondern durch COVID-19 vorangetrieben. So haben auch Banken einen plötzlichen und raschen Anschub der Digitalisierung durch die Corona-Krise erfahren. Von heute auf morgen musste die sichere Verbindung zahlreicher Mitarbeiter ermöglicht werden, deren Arbeitsplatz ohne jegliche Planung und Erfahrung ins Home Office verlagert wurde. Da so kurzfristig nicht alle Mitarbeiter mit einem mobilen Computer versorgt werden konnten, mussten neue Wege gefunden werden: Man liess die Angestellten im Sinne von BYOD mit persönlichen Geräten arbeiten und auf das Netzwerk der Bank zugreifen, was zuvor verboten war. 

Die Kommunikations- und UCC-Tools (Unified Communication and Collaboration), die für Audio- und Videokommunikation sowie für Messaging und Collaboration verwendet werden, sind für gewöhnlich nicht darauf vorbereitet, auf persönlichen Computern, Tablets oder Smartphones zu funktionieren. Als Notlösung wurden vielerorts externe Anwendungen wie Zoom eingesetzt, das auch spontan auf persönlichen Geräten genutzt werden kann und kurzfristig verfügbar war.

Dies ist jedoch in etwa gleich zu bewerten wie die Nutzung von WhatsApp für geschäftliche Zwecke: Die IT der Bank hat keinerlei Überblick und Einfluss mehr, Daten befinden sich ausserhalb des geschützten Raumes der Bank, eine Nutzer-Administration ist unmöglich. So entsteht eine Parallelwelt: auf der einen Seite eine Kommunikationswelt, die von der Bank verwaltet wird und eine weitere, die aufgrund ihrer Einfachheit zusätzlich von der Belegschaft verwendet wird. In Zukunft gilt es, beides miteinander zu vereinen, sodass eine gute User Experience, Mobilität und Flexibilität nicht auf Kosten der Sicherheit und Compliance erreicht werden.

Kundenfokus

Die Zentrierung auf den Kunden bedeutet vor allem eines: Alle Vorgänge sollen digital und auch unkompliziert stattfinden, sodass der Gang zur Filiale kein Muss mehr ist. Die Tatsache, dass Filialen zunehmend schliessen und die Zukunft des Banking digital ist, bedeutet jedoch keineswegs, dass Berater durch Chatbots und künstliche Intelligenz abgelöst werden sollten. Ganz im Gegenteil: viele Kunden, insbesondere auch vermögende Privatkunden sowie Geschäftskunden, aber auch Retail-Kunden in den höheren Altersklassen schätzen einen einfachen und direkten Zugang zu ihrem Berater und zu allen weiteren für sie relevanten Kontakten in der Bank. 

Dabei nimmt die Bedeutung der Telefonie, des Instant Messaging und vor allem auch des Video Banking zu. Gerade letzteres wirkt sich nicht nur positiv für den Kunden aus, sondern resultiert oft auch in einem messbaren Vorteil für Banken: beim persönlichen Kontakt in der Videoberatung kommt es viel eher zu einem Verkauf als über andere Kommunikationswege, zudem können Fragen oder Probleme schneller gekärt und behoben werden als am Telefon. Wichtig ist hierbei auf Kundenseite wieder ein möglichst einfacher Prozess: so sollte kein Download und keine Installation notwendig sein, um den Austausch zu starten. 

Genau wie bei der internen Kommunikation, lohnt es sich auch bei der Kundenkommunikation darauf zu achten, keine Parallelwelt aufzubauen. Laut einer aktuellen Studie von Bain & Company wird die Customer Experience nämlich vor allem durch Insellösungen beeinträchtigt, die in sich funktionieren, jedoch nicht ausreichend integriert sind. Für den Kundendialog haben Banken bereits viele Ressourcen in gut funktionierende Contact Center und in Online-Banking-Anwendungen investiert. Um eine kohärente Customer Experience zu schaffen, sollten neue Tools zur Kundenkommunikation komplett in diese bestehenden Assets integriert werden. Auf diese Weise können vorhandene Assets, wie beispielsweise Call Center-Statistiken und KPIs, weiterhin genutzt werden.

Damit Online Banking und Videoberatung auch zukünftig von der breiten Masse der Kunden als echte Alternative angenommen wird, muss die Erfahrung gleichwertig zum analogen Bankbesuch seinGoogle Analytics veranschaulichte deutlich, wie weit die digitale Online Shopping-Erfahrung oftmals noch von der analogen Erfahrung entfernt ist. Gleiches gilt im Banking.

Idealerweise würde ein digitaler Besuch in der Bankfiliale so aussehen: Der Kunde befindet sich im Online Banking, auf der Webseite oder der mobilen App der Bank. Dort kann er spontan einen Videoanruf mit einem verfügbaren Berater starten. Falls der Kunde mit einem bestimmten Kundenberater sprechen möchte, wird der Videoanruf kurzerhand weitergeleitet oder der gewünschte Berater wird mit ins Gespräch geholt – genau so, wie es in der Filiale der Fall wäre. Über eine CRM-Integration sieht der Berater direkt, welcher Kunde anruft. Gemeinsam schauen sie sich Dokumente an und sofern man sich auf ein passendes Angebot einigt, kommt es zu einem Abschluss.

Regulierungen

Sowohl aus Kunden- als auch aus Mitarbeitersicht gilt es also, ein grosses Potenzial auszuschöpfen, sodass beide Parteien intuitiv und trotzdem sicher miteinander kommunizieren können. Dabei müssen jedoch auch zahlreiche Regulierungen beachtet und umgesetzt werden, denen Finanzdienstleister unterliegen.

So fordert der Datenschutz, dass die Bank alle geschäftlich genutzten Kommunikationssysteme im Griff haben muss, damit persönliche Kundendaten stets unter Kontrolle sind. Allein diese Anforderung macht es unmöglich, externe Messenger wie WhatsApp zu verwenden, sofern keine explizite Autorisierung aller im Adressbuch vorhandenen Kontakte gegeben ist. Des Weiteren müsste all diesen Personen die Möglichkeit gegeben sein, den Chatverlauf einsehen und löschen zu können, was auf Anwendungen dieser Art unmöglich ist.

Risiken bergen aber nicht nur innovative Kommunikationstools. Auch Telefonnetze müssen gesichert werden, vor allem da über diesen Weg immer öfter sensible Daten ausgetauscht werden. So könnte zum Beispiel ein Call Center-Agent für eine rasche Zahlung darum bitten, dass der Kunde seine Kreditkartennummer und PIN über die Tastatur des Telefons eingibt. Laut dem PCI-Regelwerk müssen hier Lösungen implementiert werden, die die Tastaturtöne für den Agenten stummschalten, sodass dieser nichts hört.

Eine Eigenheit von Regulierungen ist nicht nur, dass sie sich von Zeit zu Zeit ändern, sondern auch, dass sie sich von Land zu Land unterscheiden. Wenn Banken in anderen Ländern Geschäfte machen möchten, so müssen sie der Regulierung anderer Länder Folge leisten. So stellen die DSGVO und die Finanzmarktrichtlinie MiFID beide eine grosse Herausforderung für den Bankensektor dar. Allein die Tatsache, dass die komplette Geschäftskommunikation, die ja über eine Vielzahl von Tools und Geräten stattfindet, gespeichert werden muss, ist problematisch.

Aus diesem Grund können Standard-Technologie-Anbieter oft nicht ausreichend auf die spezifischen Bedürfnisse der Banken eingehen, sondern es müssen Nischenanbieter gefunden werden, die notwendige Anpassungen vornehmen und flexibel auf bestimmte Regulierungen reagieren können.

Konsolidierung

Eine Bank, der es gelingt, die vorherigen Punkte erfolgreich zu meistern, bleibt womöglich vor einem Aufkauf verschont. Dennoch: der Trend zur Konsolidierung hält an, da dies eine reale Möglichkeit ist, eine bessere Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen. Übernahmen und Fusionen sorgen jedoch gerade bei den Verantwortlichen der IT und Kommunikation für Kopfzerbrechen. Das Ergebnis ist oft über Jahre hinweg eine Koexistenz verschiedener Plattformen und Telefonanlagen. Um in dieser Zeit die nahtlose Kommunikation über ein internes Telefonnetz gewährleisten zu können, kann Routing eine Lösung darstellen.

Aber nicht nur die Telefonie, auch die Kommunikation über UCC-Tools stellen bei Konsolidierungen oft eine Herausforderung dar. Schon vor Zusammenschlüssen kämpfen Banken mit komplexen IT-Architekturen. Noch schwieriger wird es, wenn diese heterogenen IT-Landschaften und die verschiedenen Telefonie-Systeme zweier Banken miteinander verknüpft werden. In einer derartigen Umgebung eine UCC-Lösung zu implementieren, die mit den vorhandenen Assets interoperabel ist, ist kein einfaches Vorhaben. In solchen Fällen können webbasierte Kommunikationstools eine einfache Abhilfe schaffen, um diese Interoperabilität zu gewährleisten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die IT- und Kommunikations-Abteilungen der Banken eine Herkulesaufgabe vor sich haben, da die bedeutendsten Trends verschiedene Komplexitäten mit sich bringen. Hier kann es ratsam sein, mit Partnern zusammenzuarbeiten, die bereits Erfahrung in diesem Kontext gesammelt haben. Oft lohnt es sich, über den Tellerrand zu schauen und neben den klassischen Technologie-Anbietern auch Nischenanbieter in Betracht zu ziehen, die die besonderen Herausforderungen des Bankensektors kennen und die ihre Produkte an die spezifischen Anforderungen im Banking anpassen können.

Die in der Corona-Krise gesammelten Erfahrungen können nun genutzt werden, um von den Vorteilen des mobilen Arbeitens und der Videoberatung langfristig zu profitieren – diesmal jedoch nicht Hals über Kopf, sondern sorgfältig geplant und integriert.

Die Autorin: Carolin Nothof

Carolin Nothof arbeitet bei dem spanischen Technologie-Unternehmen Quobis an Digitalisierungsprojekten in Finanzinstituten. Im Vordergrund steht dabei für die Banken stets die Vereinfachung des Kundenkontaktes und der internen Kommunikation, ohne an Sicherheit einbüssen zu müssen.

Nachdem Carolin ihren beruflichen Werdegang in der angewandten Forschung und im Software-Umfeld gestartet hat, absolvierte sie einen M.Sc. in Wirtschaftsinformatik, um ein fundiertes Verständnis dafür zu gewinnen, wie Digitalisierungsprojekte in der komplexen IT-Landschaft grosser Unternehmen gelingen können.

Carolin hat in den vergangenen Jahren in vier europäischen Ländern gelebt und gearbeitet. Sie schätzt es, durch mobiles und ortsunabhängiges Arbeiten von überall für ihre Kunden und Kollegen da sein zu können. Ihr Ziel ist es, die Möglichkeiten für diese Flexibilität auch in andere Unternehmen zu tragen.