TV-Kritik "Die Höhle der Löwen" Schweiz

Jürg Marquard zu Neon: «Wenn das Ding wirklich fliegt, ist es eines Tages sehr viel mehr wert als 10 Millionen»

Bettina Hein und Roland Brack mit dem Gründerteam von Neon
Bettina Hein und Roland Brack mit dem Gründerteam von Neon (Bild: TV 24 & Neon)

Das FinTech Neon zeigt den Löwen die Zähne. Mit dem Lächeln hat's geklappt, mit der Konzeptpräsentation ebenfalls: Zähne sichtbar und vier von fünf Löwen geben Neon das Ja-Wort.

Vor dem Start der Schweizer Staffel der Gründershow "Die Höhle der Löwen" haben wir die Frage gestellt, ob das TV-Format mehr Show und Unterhaltung oder auch reale Chance für Startups zur Kapitalbeschaffung bringen wird.

Nach der dritten Sendung der ersten Staffel die schlichte Antwort: beides trifft zu. Der Unterhaltungsaspekt bleibt wichtig, sonst produziert das Format keine Quoten. Für Startups ist der zweite Aspekt zentral – Investitionen und Support beschleunigen das Wachstum. Die helvetische Ausgabe des Formats hat nicht die ganz grossen Ecken und Kanten, kriegt jedoch, möglicherweise gerade deshalb, die beiden Ansprüche ziemlich gut unter einen Hut.

Gefühlt und ohne nachzuzählen sind in den ersten drei Folgen im Vergleich zu den Schwester- und Mutterformaten in Deutschland und in den USA mehr konkrete Deals zustande gekommen. Besonders Startup-freundlich und investitionsfreudig zeigt sich Onlinehandel-Experte Roland Brack.

Die Schweizer Löwen operieren mit Risikokapital

In der Sendung der aktuellen Woche hat das FinTech Neon die Investoren überzeugt. Was dabei auffällt: Die Startup-Förderer in der Schweiz sind eher bereit, in Potenzial und in die Zukunft zu investieren und geben der aktuellen, realen Unternehmens-Bewertung weniger Gewicht.

Das Angebot von Neon: Risikokapital von 200'000 Franken gegen 2 Prozent der Unternehmens-Anteile. Das läuft auf eine Unternehmens-Bewertung von 10 Millionen hinaus – eine stolze Ziffer für ein Startup, das erst vor kurzem gestartet ist und nach eigenen Angaben aktuell so um die 5'000 Kunden an Bord hat.

Eine Betrachtung, die von den deutschen Löwen und vor allem von den Sharks im USA-Format "Shark Tank" gleich im ersten Anlauf zerlegt, in der Luft zerrissen und pulverisiert worden wäre. Die bekommen oftmals Schnappatmung, werden streckenweise grob, denken mehr in der Dimension der sicheren gewinnbringenden Investition und weniger in Risikokapital. In vergleichbaren Cases investieren deutsche Löwen und Sharks entweder gar nicht oder dann gegen eine Beteiligung, die kaum unterhalb von 20 Prozent liegen dürfte.

Mag die Schweizer Ausgabe der "Höhle der Löwen" auch etwas beschaulicher, ohne viel Getöse und auch ohne (zu) viel Selbstinszenierung der Investoren ablaufen, das Umfeld ist Startup-freundlicher, die Löwen investieren in Potenzial und Zukunft von Startups – dieser Punkt geht klar an die Schweiz.

Neon überzeugt mit dem Smartphone-Konto

Der Pitch: Die Challenger-Bank (gedanklich im Begriff die kontoführende Hypothekarbank Lenzburg mit im Boot, um Neon nicht auf eine blosse Konto-App reduzieren zu müssen) ist mit sämtlichen Gründern angetreten und hat im Quartett Konzept und Geschäftsmodell präsentiert.

Das Resultat: Onlinehändler Roland Brack steigt mit 200'000 Franken ein, ohne die angebotene Beteiligung von 2 Prozent infrage zu stellen. Technologie-Unternehmerin Bettina Hein legt weitere 50'000 Franken dazu und akzeptiert eine Mini-Beteiligung von 0.5 Prozent.

Wer die aktuelle Sendung der "Höhle der Löwen" verpasst hat, kann sich den Pitch von Neon hier anschauen:

Nach der Sendung: aus 2 mach 4

Interessante Bemerkung von Jürg Marquard, der nach dem Pitch sein Nein zu Neon mit dem Argument begründete, dass er bereits in mehreren ähnlichen Geschäften investiert wäre:

Wenn das Ding wirklich fliegt, ist es eines Tages sehr viel mehr Wert als 10 Millionen – wenn es fliegt, kann es eine Super-Geschichte werden

Die eigene Prognose hat Marquard offenbar über den Pitch hinaus beschäftigt und seine Fantasien beflügelt – nach der Sendung sind er und auch Nachhaltigkeitsunternehmer Tobias Reichmuth ebenfalls als Investoren mit eingestiegen.

Für Neon ein grandioser Erfolg. Weniger noch wegen dem neuen Kapital, mehr deshalb, weil sich vier Investoren mit ihrer Expertise, Verbindungen und Netzwerk für zusätzliche Reichweiten und auch für Produkt- und Geschäftsentwicklung stark machen werden.

Nach der Aufzeichnung der Sendung, das gilt für alle Startups, muss die Due Diligence-Phase Eindruck und gemachte Aussagen vom Pitch bestätigen. Was für eine variable Quote von Startups zum Stolperstein werden kann, ist für Neon bereits in trockenen Tüchern: die vereinbarten Deals sind unterschrieben, die Gelder geflossen, einer gemeinsamen Expansions-Strategie steht nichts mehr im Wege. 

2 aus 42, da geht noch mehr

In der ersten Staffel von "Die Höhle der Löwen" pitchen insgesamt 42 Startups aus unterschiedlichen Branchen, die Investoren für ihre Geschäftsidee begeistern möchten. Neben Neon ist mit Tastier ein zweites FinTech dabei, dieser Pitch wird am Dienstag, 2. Juli 2019 ausgestrahlt.

Mit der aktuellen FinTech- und Challenger-Banken-Dichte könnte sich die Quote 2 ais 42 für die zweite Staffel erhöhen. Zumal sich mit dem TV-Format ein realer neuer Finanzierungs- und Business Angel-Kanal geöffnet hat. 

Klar geht's um Unterhaltung – gute Quoten schaffen jedoch auch Bekanntheit für die Startups und spielen generell FinTech- und Startup-Themen ins Bewusstsein der Bevölkerung. Das Format in helvetischer Ausprägung ist insofern angenehm schweizerisch ausgelegt, als die teilnehmenden Startups und Gründer weder vorgeführt noch effekthascherisch blossgestellt werden, sie pitchen auf einer grossen Schweizer Bühne und stossen auf echtes Interesse der Investoren im Studio.

Damit tun sich Chancen auf, welche die Aspekte Publizität, Venture Capital und aktive Unterstützung für Startups mit smarten Ideen und interessanten Geschäftsmodellen kombinieren.