Challenger-Banken

Vivid – die erstaunliche Entwicklung einer Challenger-Bank

Grafische Darstellung vom Handel mit Kryptowährungen
Bild: Vivid Money

Das FinTech Vivid ist vor knapp einem Jahr in Deutschland gestartet – bemerkenswert, wo die Neo-Bank nach kurzen elf Monaten steht.

Die Finanzplattform Vivid ist im Vergleich zu Revolut (13 Millionen Kunden) oder N26 (7 Millionen Kunden) heute noch keine der grossen Challenger-Banken. Aber eine der bemerkenswerten, aus mehreren Gründen.

Der direkte Vergleich taugt ohnehin nicht viel und ist (noch) nicht aussagekräftig. Revolut und N26 haben mehrere Jahre Vorsprung, den beide Neo-Banken für ihre internationale Expansion genutzt haben – Revolut wie auch N26 sind in zahlreichen europäischen Ländern sowie in den USA und weiteren Destinationen aktiv.

Vivid ist noch nicht mal ein Jahr im Markt, aktuell nutzen nach Angaben des FinTechs etwas mehr als 100'000 Kundinnen und Kunden in Deutschland, Frankreich und Spanien die Leistungen der App. Das ist kurze elf Monate nach Start eine sehr solide Leistung, aber noch keine berauschende Marke, die Revolut oder N26 beunruhigen müsste.

Was ist denn nun an Vivid bemerkenswert?

Den beiden Gründern Artem Yamanov und Alexander Emeshev geht ein Ruf voraus, den Chris Weafer, ehemaliger Chefstratege der russischen Sberbank, mit folgender Bemerkung zum Start von Vivid auf den Punkt gebracht hat:

Das ist ein direkter Angriff auf Revolut und N26 – sie werden mit einer Aggressivität auf den Markt kommen, die Revolut und N26 so noch nicht kennen

Weafer hat seine Prognose auf das "Vorleben" von Yamanov und Emeshev gestützt, welche der Challenger-Bank Tinkoff in Russland mit weit über 10 Millionen Kunden zu Grösse und auch zu Marktkraft verholfen haben.

Die unterstellte Aggressivität drückt sich bei Vivid im Moment weder in Ankündigungen noch in forcierter geografischer Expansion aus, die Neo-Bank verfolgt eine andere Strategie. Vivid erweitert ihr Produkt mit neuen Features und Leistungen in einem atemberaubenden Tempo. Offensichtlich mit der Idee: zuerst ein Vollprodukt, erst dann die Expansion in weitere Märkte. Dass dabei ganz Europa auf der Roadmap steht, gehört zu den erklärten Zielen von Vivid Money:

"Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, Kundinnen und Kunden in ganz Europa eine unvergleichbare Anlage- und Bankingerfahrung zu bieten und eine breite Palette von Finanzdienstleistungen ohne unnötige Gebühren anzubieten."

Was bei anderen Challenger-Banken in Sachen Leistungen und Funktionen nach und nach im Laufe der Jahre dazukommt – oder noch gar nicht im Angebot ist – hat die Finanzplattform Vivid bereits nach elf Monaten an Bord.

Banking, Sparen plus smarte Features

Bereits fünf Monate nach ihrem Start hatte die Neo-Bank, neben den Standardfunktionen im Banking und bei den Karten, folgende Leistungen und Features online:

Cashback-Programme

Unterkonten in Fremdwährungen

Subscription Control
Die KI-gestützte Funktion Subscription Control erkennt Abonnement-Zahlungen, Nutzerinnen und Nutzer verwalten mit dieser Funktion ihre laufenden Abos und regelmässigen Zahlungen.

Vivid Pay
Kunden können über die Handynummer und einen generierten Link schnell und einfach Geld auf jedes andere Bankkonto überweisen – bankübergreifend und ohne die IBAN zu kennen.

Rechnungen teilen und Geld anfordern
Ebenfalls über Kontakte und Handynummer, auch wenn das Gegenüber kein Vivid-Konto hat.

Pockets und Shared Pockets
Unterkonten für Sparziele, genannt Pockets, mit jeweils eigener IBAN, die auch mit Freunden und Familie geteilt werden können.

Mobiles Bezahlen mit Google Pay und Apple Pay

Zumindest die meisten dieser Features haben andere Neo-Banken auch, mit einem Unterschied: keine andere Challenger-Bank hat dieses Programm in nur gerade fünf Monaten hinbekommen.

Das waren jetzt erstmal die smarten und praktischen Komfortfunktionen. Die wirklich grossen Dinger hat Vivid in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres in den Markt gestellt.

Investieren, Aktien und Kryptowährungen

Warum Online-Plattformen für Aktienhandel boomen – und Krypto-Apps ebenfalls, haben wir schon mehrmals beleuchtet, aktuell zum Beispiel hier.

Vivid Money will diese boomenden Bereiche nicht spezialisierten Neo-Brokern wie Trade Republic oder Bitpanda überlassen und ist offenbar der Meinung, dass Aktien- und Kryptohandel Teil derselben Finanzplattform sein sollten, die Kunden für ihr Banking nutzen.

Provisionsfreies Investieren in Aktien und ETFs
Gestartet im Februar 2021, bietet Vivid heute bereits über 2'000 Aktien und ETFs aus der EU sowie den USA. Wer ohne Provisionen investieren und traden will, braucht seine Umgebung nicht zu verlassen. Die tiefgelegte Hürde von 0.01 Euro pro Trade lässt auch Anlegerinnen und Anleger mit kleinem Geld mit ins Boot der Investoren.

Provisionsfreies Investieren in Kryptowährungen
Im April 2021 mit 10 populären Kryptowährungen gestartet, hat Vivid im Mai 2021 das Angebot um 40 weitere Coins erweitert. Mit aktuell 50 Kryptowährungen hat die Neo-Bank in Europa unter den Banking-Apps das grösste Krypto-Angebot – und braucht auch den Vergleich mit reinen Neo-Brokern nicht zu scheuen. Auch hier sind Anleger mit 0.01 Euro dabei, Kryptowährungen können 24/7 gekauft und verkauft werden.

Vivid Classes
Mit kostenlosen Workshops sollen Kundinnen und Kunden fit fürs Investieren gemacht werden. Seit Mai 2021 stehen fünf Lektionen direkt in der App zur Verfügung, über die Nutzer das kleine oder auch das grössere ABC des Investierens lernen können.

Eine Nase für die Zukunft und ein Herz für Huawei-Smartphones
Vivid hat ihre App im Mai 2021 in der App Gallery für Huawei-Smartphones parkiert. Das FinTech gehört damit zu den ersten Investment- und Banking-Apps in Europa, die ihre App in der Huawei App Gallery anbietet.

Auch diese Angebote haben einige andere Challenger-Banken ebenfalls im Programm, allerdings auch hier mit einem Unterschied: keine andere Neo-Bank hat dieses Vollprogramm in nur gerade elf Monaten auf die Beine gestellt. Dazu kommt, dass Vivid in der Breite des Angebots in Teilen deutlich über den Rahmen seiner Konkurrenten hinausgeht.

Fazit

Wir haben bereits festgehalten: etwas mehr als 100'000 Kundinnen und Kunden in drei Ländern sind ein solides Ergebnis für eine Challenger-Bank, die noch kein Jahr alt ist. 

Allerdings ist das Gesamtangebot, das die Sparten Banking, Sparen und Investieren abdeckt und laufend noch erweitert wird, für sehr viel mehr als nur gerade 100'000 Kunden und drei Länder gedacht.

Rollt Vivid seine Finanzplattform dereinst in ganz Europa aus, könnten sich die Vorinvestitionen in App und Funktionen in Form von explosiven Wachstumszahlen bemerkbar machen. Zumal die Zielgruppen sehr breit gefasst sein dürften. Sie umfassen die Kunden klassischer Banken, jene von Neo- und Challenger-Banker und auch die Kunden von Neo-Brokern. All jene eben, die alles in einer einzigen App haben möchten. 

Die Gründer von Vivid Money verfolgen eine interessante Strategie, die in der Reihenfolge mit "Leistung und Vollprogramm vor Wachstum" umschrieben werden könnte. Die einstmals von Chris Weafer unterstellte Aggressivität, bisher nur in Produktentwicklung und Angebot sichtbar, könnte dann auch in den Märkten Formen annehmen, die sich für Kunden und vor allem auch für Konkurrenten deutlich spürbarer auswirken.