Interview

Token Economy: Lässt sich Finanz- und Digital-Bildung leicht und spielerisch erwürfeln?

Felix Saible und Dominik Jocham, Mitgründer von Bots don't cry
Felix Saible und Dominik Jocham, Mitgründer von Bots don't cry

Blockchain, Tokenisierung und Kryptowährungen über ein analoges Brettspiel erklären, wie kommt's? Wir haben uns mit den Machern von "Token Economy" unterhalten.

Die Bank- und FinTech-Profis Felix Saible und Dominik Jocham haben gemeinsam mit der Digital Designerin Loraine Olalia das Fintainment Startup Bots don't cry vor einigen Wochen gegründet. Das Team will mit analogen Brettspielen breite Bevölkerungsgruppen spielerisch an komplexe digitale Finanzthemen heranführen, wir haben berichtet.

Der erste Wurf, das Brettspiel "Token Economy", ist entwickelt, getestet und reif für die Serie. Das Kapital für den Markteintritt soll über ein Crowdfunding kommen, das aktuell auf Wemakeit läuft.

Warum analoge Spiele für digitale Themen? Für wen gedacht, für wen gemacht? Warum überhaupt das Engagement für Finanzbildung? Ruedi Maeder hat die Entwickler von "Token Economy" zum Interview gebeten.


Ein Gespräch mit Felix Saible und Dominik Jocham

Eure Mission ist Wissensvermittlung und Education im Finanzbereich – warum ist euch Finanzbildung wichtig? 

Felix: Finanzthemen werden von den meisten Leuten sträflich vernachlässigt, da sie als langweilig oder komplex wahrgenommen werden. Im schlimmsten Fall sind sie auch noch negativ behaftet – die Klischees über Banker kennen wir nur zu gut. Dabei begleiten uns Finanzthemen ein Leben lang und wichtige Entscheidungen hängen vom Wissen darüber ab. Das fängt bei einer gesunden Kontoführung an, geht über Konsumkredite und Vorsorge bis hin zu zukunftsgerichteten Themen wie Blockchain Finance und damit unter anderem zur Tokenisierung.

Wer soll denn gebildet werden, welche Zielgruppen stehen im Fokus?

Dominik: Grundsätzlich jede Altersklasse, denn Finanzbildung ist kein Thema, das nur bei jungen Menschen zu kurz kommt. Im Idealfall müsste man sich natürlich intensiver auf Teenager konzentrieren, damit sie für später gerüstet sind. Wir wollen aber jedem einen spielerischen Zugang zu Finanzthemen ermöglichen – ob im familiären Kreis, unter Freunden oder Unternehmen, die ihren Mitarbeitern und Kunden den Einstieg in solche Themen erleichtern wollen. Wir glauben, dass sich jeder für Finanzthemen begeistern lassen kann.

Ihr seid als Profis unterwegs mit digitalen Themen und entwickelt ein Brettspiel – noch analoger geht nicht, wie kommt’s?

Felix: Zum einen, weil bisher einfach niemand daran gedacht hat und damit war die Idee für uns doppelt reizvoll – Token Economy fällt aus dem Rahmen und das macht es interessant. Zum anderen haben wir uns für ein Brettspiel entschieden, gerade weil die halbe Welt von Digitalisierung redet. Ein Grossteil der Menschen hängt mittlerweile privat und beruflich am PC oder schaut ständig auf irgendwelche Apps. Ein Brettspiel hingegen bringt die Leute in der Realität zusammen und sorgt dafür, dass sie abschalten können. Lustigerweise wird Authentizität mit zunehmender Digitalisierung immer wichtiger, das merkt man beispielsweise daran, dass Menschen ihren Urlaub auf einem Bauernhof verbringen wollen, wo sie dann mithelfen, echte Dinge herzustellen. Mit Token Economy bieten wir Blockchain zum Anfassen. Damit machen wir das Thema greifbar – im wörtlichen Sinn.

Token Economy ist eure erste Spiel-Entwicklung – warum gerade dieses Thema?

Dominik: Die Idee für Token Economy stammt von Felix, weil er als Teilnehmer eines Blockchain-Lehrgangs der Uni Liechtenstein gemerkt hat, dass selbst Fachexperten der Zugang zu diesem Thema schwerfällt. Das Thema ist immer noch sehr neu und vor allem abstrakt – die wenigsten können sich etwas unter einer Blockchain vorstellen. Das war die Initialzündung für unser Spiel. 

Zudem arbeiten wir beide für Bank Frick, die eine Pionierrolle im Blockchain Banking einnimmt, und hatten somit genug Expertise, das Thema als unterhaltsames Narrativ in ein Spiel zu verpacken. 

Und last but not least: Blockchain, respektive Tokenisierung und Kryptowährungen, werden uns zudem so schnell nicht mehr verlassen – aus diesem Grund halten wir es für essenziell, jedem einen einfachen und spielerischen Zugang in das Thema zu ermöglichen. Mit Token Economy leisten wir quasi Grundlagenarbeit für morgen.

Blockchain, Tokenisierung und Kryptowährungen sind komplexe Themen, wie schafft ihr den Spagat, damit 15-Jährige nicht überfordert sind, ganz normale Konsumenten gut unterhalten bleiben und digitale Profis sich nicht langweilen?

Felix: Wir haben die Themen für Token Economy natürlich vereinfacht und in einen intuitiven Spielmechanismus verpackt. Im Endeffekt dreht sich alles um Kauf und Handel und darum, seine Gegner zu übertrumpfen beziehungsweise auszustechen. Bei uns sind eben Token und Kryptowährungen im Spiel. Dieser Mechanismus ist zunächst einmal die Grundlage für sehr viele Spiele und damit schon mal den meisten bekannt. 

Damit die Spieler nicht überfordert sind, gibt es zudem ein ausführliches Booklet, das die wichtigsten Begriffe und die Geschichte von Blockchain in der Schweiz und in Liechtenstein beschreibt. Für gute Unterhaltung sorgen der geografische Bezug auf dem Spielfeld, in dem die Spieler eventuell ihre Nachbarschaft wiederfinden, sowie lustige Ereigniskarten, ein Feld zum Anstossen und weitere Goodies. Auch Profis zaubern wir mit Token Economy ein Lächeln ins Gesicht – schliesslich machen wir etwas physisch erlebbar, was sie sonst nur vom Laptop kennen.

Apropo 15-Jährige: Smartphones, Streaming, Videogames, Social Media – wie wollt ihr diese Gruppe aufs Spielbrett und zum Würfeln bringen?

Dominik: Wie Felix bereits gesagt hat ist der Wunsch nach Authentizität heutzutage sehr stark und somit kann ein physisches Brettspiel eine ganz andere Erfahrung bieten. Unser Ziel ist es, mit Token Economy eine Ergänzung zu schaffen und nicht andere Produkte, Apps oder dergleichen, zu ersetzen. Es gibt eine grosse Brettspielszene, Spiele sind beinahe in jedem Schaufenster neben Lego zu finden und Klassiker wie Monopoly machen bis heute Spass. Menschen spielen also weiter über alle Altersklassen hinweg. Insbesondere in Zeiten von Corona sind die Auftragsbücher von unserem Hersteller schon seit Monaten voll – Freunde und Familie kommen wieder verstärkt zusammen und möchten sich daheim beschäftigen.



Hat Token Economy das Potenzial, als spielerisches Erlebnis-Lehrmittel den Weg in die Schulen zu schaffen?

Felix: Vom Potenzial sind wir felsenfest überzeugt, auch wenn das ein langer Weg werden kann. Mit einigen Hochschulen sind wir jedoch bereits im Gespräch, mehr kann ich dazu aber jetzt nicht sagen. Manche Mühlen mahlen zwar etwas langsamer, die meisten Entscheider wissen aber sehr wohl: Wenn Menschen Spass an etwas haben und sich spielerisch mit Dingen auseinandersetzen, dann setzt man Dinge in Bewegung und Barrieren werden abgebaut. Token Economy ist bewusst kein Spiel für eine kleine Szene von Blockchain-Experten, sondern für die breite Masse gemacht. Wir wollen damit an die Küchen- und Wohnzimmertische. Denn wenn Menschen sich im Privaten mit einer neuen Technologie auseinandersetzen, ist schon viel erreicht.

Ihr habt aktuell ein Crowdfunding für die Finanzierung des Markteintritts von Token Economy am Laufen, macht die Crowd mit?

Dominik: Nach einer guten Woche haben wir bereits mehr als ein Drittel von unserem Fundingziel von 45'000 Franken erreicht. Die Crowd macht also mit und wir sind hellauf von ihr begeistert – an dieser Stelle ein grosses Danke an alle Unterstützer. 

Im Moment seid ihr auf B2C ausgerichtet, habt aber später auch B2B im Auge – mit welcher Idee? Und gibt’s schon konkrete Anfragen? 

Felix: Wir möchten auch Unternehmen ermöglichen, ihre Kunden und Mitarbeiter spielerisch an das Thema Tokenisierung heranzuführen. Aufgrund ihrer Vorreiterrolle in Bezug auf Blockchain eignen sich die Schweiz und Liechtenstein hierfür natürlich besonders gut, man denke nur ans Crypto Valley. Für Unternehmen produzieren wir Token Economy dabei im gewünschten Look beziehungsweise verwenden ihr Corporate Design – von der Box über das Spielfeld bis zu den Karten. Das Ganze wird dann von unserer Designerin angepasst. Für B2B-Kunden entsteht somit kein Mehraufwand und sie erhalten ein sehr individuelles Geschenk, das es so nirgendwo anders gibt und mit dem sich ihre Kunden noch lange beschäftigen werden. Hierzu haben wir bereits etliche konkrete Anfragen, die wir aktuell bearbeiten und mit unserem Hersteller besprechen. 

Wir schauen in die Zukunft: In zehn Jahren steht Monopoly im Museum und eure Brettspiele haben übernommen, richtig oder falsch?

Dominik: (lachend) Hoffentlich richtig. Aber eine gewagte These.

Gut, anders gefragt: Wo steht euer Startup "Bots don’t cry" in zehn Jahren?

Felix: In zehn Jahren hat sich unser Startup als spezialisierter Nischenanbieter für Fintainment Games etabliert – Finance meets Entertainment, dieses Segment wollen wir kreieren. Falls wir das nicht schaffen, ess ich in zehn Jahren eine Spielfigur. 

Eine?

Felix: Ja, und das Brett dazu.

Token Economy gibt’s momentan als spielbare Prototypen, als Serie geht das Spiel nächsten Frühling in den Markt – was kommt nach Token Economy, wieder ein Brettspiel?

Dominik: Wir haben bereits einige Ideen, möchten dazu aber noch nichts verraten. Im Moment konzentrieren wir uns voll auf Token Economy. 

Wir werden persönlich und machen ein Röntgenbild von euch als Macher – ihr seid als digitale Banker beide vorbelastet. Was treibt ihr in eurer Freizeit? Wir raten mal und lassen dabei selbstverständlich jedes Klischee aus: Nur Digitales, nur Analoges, mit der Gang und der Harley über die einsamsten Highways brettern, Kurse für Klöppeln und Schnitzen belegen, Shooter Games bis zum Abwinken spielen, am Lagerfeuer im Wald digitale Strategien entwickeln, im Digitallabor analoge Ideen ausbrüten – was denn so?

Felix: Für eine Harley bin ich noch ein wenig zu jung, aber ein Motorrad gibt es tatsächlich und das wird auch regelmässig bewegt. Ansonsten bin ich nachts hin und wieder als DJ anzutreffen und am Wochenende in den Bergen oder an der Limmat. 

Dominik: Ich muss sagen, analog liegt mir sehr und ich bastle in meiner Freizeit an verschiedenen Modellbau-Projekten. Meine Prioritäten für die Freizeit werden sich jedoch klar verändern, denn bei mir und meiner Frau steht unmittelbar Nachwuchs bevor. 

Apropos digitale Banker: Ist es ein Vorteil oder ein Nachteil, selbst Profi in Sachen Blockchain, Tokenisierung und Kryptowährungen zu sein und mit diesem Hintergrund Spiele für Nicht-Profis zu entwickeln? Besteht nicht die Gefahr, dass man zu viel voraussetzt?

Dominik: Ich denke schon, dass das ein Vorteil ist – umgekehrt wäre die Entwicklung sicher schwieriger gewesen. Fachwissen lässt sich runterbrechen auf einfache und dennoch elementare Zusammenhänge, die beim Spielen verstanden werden. Wir möchten den Fintainment Games auch treu bleiben, gerade weil wir aus dem Banking kommen. Auf diese Weise können wir etwas zurückgeben und Themen vermitteln, welche uns beruflich am Herzen liegen. Auf der anderen Seite haben wir sehr viel lernen können, was Spiele betrifft: Ein Spiel zu spielen ist nochmal was ganz anderes, als eines zu entwickeln. 

Wir kommen ins Finale: Welche Antwort gehört unbedingt in dieses Interview mit rein, zu der wir bisher nicht die passende Frage gestellt haben? 

Felix: Analoge Spiele werden in der Öffentlichkeit leicht übersehen, weil wir alle seit Jahren vom Silicon Valley verleitet werden, nur noch Tech-Unternehmen wahrzunehmen. Die Digitalisierung ist immer noch der Heilsbringer unserer Zeit – was auch immer die Menschen sich schlussendlich darunter vorstellen. 

Was wir allerdings beobachten, ist, dass Menschen – ob als Bürger, Kunden oder Mitarbeiter – allzu oft nicht abgeholt werden oder trotz dem ganzen Marketingsprech die Technik nicht verstehen. Es fehlt der Zugang. Hier setzen wir mit unserem Startup Bots don’t cry an und leisten quasi Grundlagenarbeit. Und das in einem spielerischen Rahmen, in dem die Menschen etwas zum Anfassen erhalten. Wer ausschliesslich auf Tech-Firmen schaut, übersieht völlig die Realität. 


Die Interviewpartner Felix Saible & Dominik Jocham

Felix Saible ist Mitgründer von Bots don't cry, einem Startup für Fintainment Games. Als Senior Marketing Manager von Bank Frick verantwortet Felix die strategische Ausrichtung der digitalen Kommunikation sowie die Marketingkampagnen der Bank.

Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Banking & Finance fokussierte er sich auf Terrorismusforschung und erwarb einen Master an den Universitäten Zürich, Basel und Luzern, bevor er in die Kommunikation wechselte.

Dominik Jocham ist Mitgründer von Bots don't cry, einem Startup für Fintainment Games. Er blickt auf eine langjährige Bankerfahrung zurück und ist als Business Development Professional von Bank Frick zuständig für die Weiterentwicklung ihrer Blockchain Banking Services.

Nach Abschluss seines Studiums an der Universität St. Gallen mit Schwerpunkt Business Innovation arbeitete Dominik für die UBS in Zürich sowie im Ausland.