Mobile Payment: Sehr viel Luft nach oben

Bild: Ioraks | Getty Images | Zahlungen im Laden weiterhin primär in Bar oder mit EC-Karte

Die Zahl der Studien zum Thema Mobile Payments ist gross – im Gegensatz zur Zahl der aktiven Nutzer, die bleibt weiterhin überschaubar.

Unzählige Studien der Vergangenheit prognostizieren mobilen Bezahlmethoden einen baldigen Durchbruch. Je nach Studie und Fragestellung fallen die Resultate unterschiedlich aus, aber positive Trends sind fast immer auszumachen. Das Beratungsunternehmen Deloitte hält dagegen, die aktuelle Studie zeigt: mobiles Bezahlen ist (noch) eine Randerscheinung.

Deutschland: Nur 4 Prozent zahlen per Smartphone im Laden

Das heisst, dass 96 Prozent ihr Smartphone noch nie für Zahlungen im Shop genutzt haben. Und auch die magere Quote von 4 Prozent setzt sich nicht durchwegs aus Heavy Users und Überzeugungstätern zusammen: je 1 Prozent zahlt mit dem Smartphone 1 x pro Woche oder 1 x pro Monat, die andere Hälfte gibt an, das Smartphone schon mal zum Bezahlen eingesetzt zu haben. Daraus lässt sich keine Gewohnheit ableiten, die Masse bei den Transaktionen generieren könnte.

Die Werte für jüngere Segmente präsentieren sich beim mobilen Bezahlverhalten nur leicht besser (18- bis 24-Jährige: 9 Prozent und 25- bis 34-Jährige: 7 Prozent), die Skepsis steigt mit zunehmendem Alter (55- bis 64-Jährige: gerade noch 1 Prozent). So oder so bleiben die Zahlen für alle Altersgruppen weit unterhalb der Grenze, die für Euphorie sorgen könnte.

Deutschland ist wohl das Schlusslicht, doch auch das übrige Europa dümpelt auf tiefem Level. Zwischen 6 und 9 Prozent der User nutzen mobile Bezahlmethoden, je nach Land, einzig Italien operiert mit 11 Prozent im zweistelligen Bereich. In allen Ländern bleiben EC-Karte, Kreditkarten und Bargeld bisher unangefochten an der Spitze.

Die Gründe für die Abstinenz liegen allerdings nicht bei der Hardware, nutzen doch inzwischen beträchtliche Anteile der User ihr Smartphone für Banking-Dienste wie Kontostand prüfen oder Überweisungen – da bestehen keine Hemmschwellen.

Japan: 49 Prozent nutzen mobile Bezahldienste

Das offensive mobile Nutzerverhalten der Japaner dürfte damit zusammenhängen, dass in Japan nach der Bankenkrise in den Neunzigerjahren Technologiefirmen übernommen haben. Mit Apps und Angeboten, welche das Bedürfnis und den Nerv breiter Zielgruppen getroffen haben. Was Japan zur führenden Nation in Sachen Mobile Payments gemacht hat, ist in Europa bisher schlicht nicht gelungen.

Woran liegt's?

Die Gründe sind interessant, weshalb Konsumenten mobilen Bezahlmethoden noch die kalte Schulter zeigen. An der Spitze der Nennungen liegen die Themen Mehrwerte und Sicherheit:

  • 45 Prozent erkennen keinen Mehrwert in den bestehenden Apps
  • 38 Prozent befürchten, mobiles Bezahlen wäre nicht sicher genug

Deloitte fasst in den Schlussfolgerungen der Studie weitere zentrale Punkte zusammen:

  • Finanzdienste per Smartphone werden nicht grundsätzlich abgelehnt, bisherige Mobile Payment-Angebote können jedoch noch nicht überzeugen
  • Etablierte Akteure sollten als "Trusted Provider" die Akzeptanz über konkrete Sicherheitsversprechen verbessern
  • Anbieter müssen Mehrwerte schaffen, reine Bezahlfunktionen genügen nicht
  • Die Vielzahl von Einzellösungen und ein Flickenteppich unterschiedlicher Anbieter ohne flächendeckende Akzeptanz in den Läden wird den Erfolg verhindern

«Die Ergebnisse der Studie sind für Anbieter mobiler Bezahlsysteme ernüchternd. In Deutschland scheint ein Durchbruch dieser Bezahlart immer noch in weiter Ferne.»

Klaus Böhm, Director und Leiter Medien bei Deloitte

Gibt's auch gute Nachrichten?

Ja, gleich zwei.

Zum einen: das Potenzial bisher abstinenter Konsumenten ist enorm. Was in Japan (und auch in China) zum alltäglichen Verhalten gehört, lässt sich auch in Europa und in der Schweiz etablieren. Allerdings nicht durch weitere mobile Bezahllösungen, die im Kern alle dasselbe können. Vielmehr durch überzeugenden Komfort, flächendeckende Akzeptanz und vor allem durch smarte Mehrwertleistungen, denen Konsumenten weder widerstehen können noch wollen. Was das Leben einfacher und vielseitiger macht, wird sich durchsetzen.

Und zum anderen: die Studie bestätigt, dass drei Monate Verspätung von Twint nicht über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Weil es aktuell noch nicht darum geht, Ernten einzufahren, sondern vielmehr darum, erst den Acker zu pflügen, zu säen und Konsumenten einleuchtende Gründe zu liefern, Bargeld durch das Smartphone zu ersetzen. Marktanteile sind erst dann zu erobern, wenn Konsumenten grundsätzlich bereit sind, Neues zu testen und ihr Verhalten zu ändern. Das können jene Anbieter schaffen, die genau das liefern, was Usern heute (noch) fehlt. Und das geht sehr weit über das blosse mobile Bezahlen hinaus.

Deloitte Report: "Mobile Payment. Kein Aufwärtstrend beim mobilen Bezahlen."

Stichworte im Lexikon zum Thema: Mobile Payment | Schweizer Lösungen