Interview

Thomas Hilgendorff zum Stand der Dinge bei Yapeal und zu den Zielen der strategischen Partnerschaft von Yapeal und Abacus

Thomas Hilgendorff, CEO Yapeal
Thomas Hilgendorff, CEO Yapeal (Bild: Yapeal)

Wie eine Neo-Bank und ein Software-Hersteller die Finanz- und Software-Industrie disruptieren wollen und welche Rolle KMUs und Banken dabei spielen.

Wie wir Mitte Januar berichtet haben, investiert die ERP-Herstellerin Abacus Research mehrere Millionen Franken in die Schweizer Challenger-Bank Yapeal. Ein bemerkenswerter Move, der brisante Perspektiven eröffnet. Einerseits durch die Verbindung von ERP-Systemen und Real-Time-Banking, auf der anderen Seite auch im Zusammenhang mit dem Deep Box-Projekt von Abacus.

Der Deal und die strategische Partnerschaft wirft spannende Fragen auf. Mit Abacus-CEO Claudio Hintermann haben wir uns letzte Woche Woche über die Auswirkungen des Tsunamis unterhalten, den er kommen sieht. 

Yapeal-CEO Thomas Hilgendorff weiss, wie die Neo-Bank aktuell unterwegs ist, wohin die Reise in den nächsten Monaten gehen soll und vor allem: Welche Visionen und konkreten Pläne stehen auf dem Zettel, den Yapeal und Abacus als strategische Partner gemeinsam ausgefüllt haben? Wir haben nachgefragt, lesen Sie selbst.


Thomas Hilgendorff zur strategischen Partnerschaft mit Abacus, zu gemeinsamen Plänen und zu radikalen Veränderungen in der Banken- und Software-Welt

MoneyToday.ch: Die erste Neo-Bank mit FinTech-Lizenz ist seit einem halben Jahr im Markt – wie ist Yapeal aktuell unterwegs?

Thomas Hilgendorff: Es ist eine unglaublich spannende Zeit und wir sind sehr zufrieden damit, wie wir aktuell unterwegs sind. Wir haben in nur zweieinhalb Jahren eine Ausgangslage geschaffen, die in der Schweiz wohl einzigartig ist. Dies betrifft einerseits die technologische Basis, die wir vom Backend bis zur App selbst und ausschliesslich in der Schweiz entwickelt haben.

Zusätzlich haben wir eine grösstmögliche Unabhängigkeit von Dritten angestrebt. Wir besitzen alle notwendigen "Werkzeuge" und Lizenzen – angefangen bei der FINMA mit der ersten Fintech-Lizenz in der Schweiz, über Visa für das Issuing unserer eigenen Visa Debitkarte, bis hin zu unserem eigenen Konto bei der Schweizer Nationalbank. Dies führt zu einer massiven Reduktion von Schnittstellen – sowohl auf der technischen wie auch auf der Governance-Seite, was kurze und deshalb schnelle Entscheidungs- und Entwicklungswege ermöglicht. 

Und zu was konkret haben selbst entwickelte Technologie, Unabhängigkeit von Dritten und kurze Wege geführt?

Wir sind aktuell so weit, dass unsere bestehenden und zukünftigen Kunden von vollintegrierten Services wie zum Beispiel eBill, Dritte Säule 3a, dem schnellsten ESR-Scanner und weiteren Leistungen profitieren. Diese Einfachheit, Benutzerfreundlichkeit und Transparenz in Echtzeit findet man nur bei Yapeal und das schätzen unsere Kunden. Viele nutzen Yapeal bereits als Salär-Konto, als Zentrale für alle ihre finanziellen Angelegenheiten. Und mit der Yapeal Visa Debitkarte kann im Ausland und in Internet-Shops zu attraktiv günstigen Devisen-Wechselkursen eingekauft werden. 

In der Schweiz operiert Yapeal neben den Schweizer Neo-Banken Neon und Zak, die schon länger aktiv im Markt sind – ist der Vorsprung der beiden FinTechs ein Nachteil, ohne Bedeutung oder sogar ein Vorteil für Yapeal?

Für uns ist es auf der einen Seite ein Vorteil. Die Schweizer Anbieter und auch die internationalen Player haben für eine starke Sensibilisierung der Presse wie auch der potenziellen Kunden gesorgt. Davon profitieren wir.

Schnelles Wachstum mit Kundengewinnung "um jeden Preis" ist nicht unser Ziel

Auf der anderen Seite vergleichen wir uns aber nicht mit den genannten Neo-Banken. Wir setzen da wahrscheinlich auf unterschiedliche Strategien. Wir legen Wert auf nachhaltiges Wachstum – schnelles Wachstum mit Kundengewinnung "um jeden Preis" ist nicht unser Ziel. 

Neben den Neo-Banken lancieren die klassischen Banken Initiativen, zum Beispiel die Credit Suisse mit CSX, weitere werden folgen – wo liegen die Chancen für Yapeal im Umfeld einer wachsenden Zahl von Smartphone-Lösungen im kleinen Markt Schweiz?

Was wir beobachten ist, dass Revolut und andere FinTechs versucht haben, gewisse Nischen mit ihren Smartphone-Lösungen zu disruptieren – und das ist ihnen auch gelungen. Ihr Angebot umfasst aber im Wesentlichen "die Nische" und aus dieser heraus versuchen sie jetzt, weitere Dienstleistungen anzubieten. 

Viele andere Neo- aber auch bestehende Banken versuchen, auf ein 20- bis 30-jähriges Backend (Kernbankenlösung) eine moderne, benutzerfreundliche App drauf zu setzen. Die Nutzerfreundlichkeit unterliegt aber oftmals starken Restriktionen durch das Backend. Das Resultat ist dann, dass Prozesse nicht voll digitalisiert werden können und die Benutzerfreundlichkeit nicht die erhoffte Wirkung zeigt.    

Für uns war von Beginn an klar, dass eine für die Zukunft nachhaltige Lösung, und damit meine ich sowohl den technologischen Aspekt wie auch denjenigen des Geschäftsmodells, von Grund auf neu gedacht und entwickelt werden muss. Auch darin unterscheiden wir uns von anderen Anbietern.

Jede Smartphone-Bank wünscht sich eine Alleinstellung – wie grenzt sich Yapeal denn konkret von den Schweizer Mitbewerbern ab?

Seitdem die ersten Gedanken zu Yapeal aufkamen, versuchen wir uns ein Bild, eine Vorstellung davon zu machen, wie die digitalisierte Welt in zehn Jahren aussehen wird. Selbstverständlich steht für uns der Kunde im Mittelpunkt, aber der Kunde steht vor allem im Mittelpunkt einer digitalisierten Welt in der Zukunft. Aus diesem Bild, aus dieser Vorstellung der zukünftigen digitalisierten Welt versuchen wir, die Anforderungen an Yapeal zu definieren. Das geschieht laufend in unendlich vielen Gesprächen und über Nachforschungen in Ländern, in den die Digitalisierung weit fortgeschrittener ist als in der Schweiz. 

Das hat dazu geführt, dass wir in den letzten zweieinhalb Jahren ein Geschäftsmodell entwickelt haben, das technologisch zu 100 Prozent in der Cloud betrieben wird, 100 Prozent Cloud Native, und dass alles in Echtzeit verarbeitet wird.

Das wiederum hat zur Folge, dass alle Prozesse digital abgewickelt werden, Digital to the Core, was zu einer höchstmöglichen Effizienz führt. Im Weiteren entlastet uns unsere Cloud-basierte Informatik von sprungfixen Kosten. Das heisst: Yapeal verfügt in der Informatik über eine Kostenmodell, das auf "Pay as you grow" basiert und eine einfache Skalierung des Geschäftsmodells ermöglicht.    

Welche Auswirkungen oder heute schon sichtbaren Vorteile hat das alles für Nutzer der Yapeal App?

Yapeal arbeitet total agil. In Kombination mit den kurzen Entscheidungswegen und durch unsere bereits erwähnte Unabhängigkeit von Dritten sind wir in der Lage, unseren Kunden in kurzer Zeit und kurzen Intervallen neue Funktionen zur Verfügung zu stellen. Das haben wir zum Beispiel bewiesen, indem wir in nur drei Monaten eBill in die Yapeal Customer Journey integriert haben. Es gibt nur drei (Gross-) Banken, die das in der Schweiz gemacht haben und über zwölf Monate dafür benötigt haben.

Wir sind in der Lage, unseren Kunden in kurzer Zeit und kurzen Intervallen neue Funktionen zur Verfügung zu stellen

Wir haben bewiesen, dass wir eine hochmoderne Plattform geschaffen haben, welche die Basis für die kommenden Anforderungen einer digitalen Welt an das Banking ist. 

Mit dem Community Approach will Yapeal sehr nahe an Kundinnen und Kunden operieren – gibt's Beispiele für die gelebte Beziehung auf Nähe?

Unsere Werte, für die wir stehen, sind uns sehr wichtig. Wir arbeiten mit grösstmöglicher Transparenz gegenüber unserer Yapster Community, gegenüber unseren Kunden. In unserem Forum zum Beispiel kann man sehen und bis zu einem gewissen Grad mitbestimmen, welches die nächsten Funktionen und Features in Yapeal sein werden. Wir pushen keine Produkte und wir bieten unseren Kunden auch keine Produkte, sondern transparente Services in Real Time an. Unsere Kunden wissen jederzeit transparent, wofür sie was bezahlen, wir haben keine versteckten Kosten. 

Alles bisher Gesagte klingt weniger nach Neo- mehr nach Challenger-Bank...

...wir sehen uns nicht als Challenger-Bank, aber wir wollen das Banking challengen – von Grund auf. 

Neben den Schweizer Mitbewerbern gibt’s die internationalen Player, insbesondere N26, Revolut oder Transferwise, welche Terrain besetzen, allein Revolut mit 350'000 Kunden in der Schweiz – uneinnehmbare Bastion oder Wegbereiter für das neue Banking?

Sie sind Wegbereiter und einnehmbare Bastionen.

Seit Kurzem ist der Software-Hersteller Abacus als strategischer Investor mit an Bord – aus der Sicht von Yapeal ein Big Bang mit bereits kurzfristig sichtbaren Produkt-Eruptionen oder eine Partnerschaft für langfristiges Wachstum?

Die Partnerschaft mit Abacus kam nach wenigen Gesprächen zustande, in denen wir sehr schnell gemerkt hatten, dass sich Abacus und Yapeal ideal ergänzen. Es war offensichtlich, dass hier 1+1 Drei ergibt, wobei der Dritte der Kunde ist.

Die Ausgangslage war somit eigentlich zuerst eine rein partnerschaftliche. Wir diskutierten Business-Anforderung und Use Cases im Kontext der sich digitalisierenden Welt für KMUs. In kürzester Zeit hatten wir konkrete Vorhaben skizziert, welche uns gut und gerne für die nächsten Jahre beschäftigen werden. Vorhaben, welche dank digitalisierter Prozesse, in denen der Geldfluss eine Rolle spielt, die KMUs konkurrenzfähig halten werden. 

Wir sehen uns nicht als Challenger-Bank, aber wir wollen das Banking challengen – von Grund auf

Von hier an war es klar, dass es eine Partnerschaft mit kurz- und langfristigen Zielen sein wird. Mit dem Willen, auf der Basis des gemeinsamen Innovations-Potenzials Game-Changing-Lösungen für das 21. Jahrhundert bereitzustellen, war das Investment von Abacus in Yapeal ein logischer Schritt, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern. Abacus ist übrigens der zweite strategische Investor, neben der Bank Vontobel.

Das Investment von Abacus, welches wir als grosses Committment in die langfristige gemeinsame Partnerschaft sehr schätzen, eröffnet Yapeal eine zusätzliche strategische Dimension. Yapeal wird sich, gemeinsam mit Abacus und seinen 35‘000 Kunden, zu einem wichtigen Finanz-Partner für Schweizer KMUs entwickeln. 

Wie ist die Partnerschaft Abacus-Yapeal positioniert – als Kooperation mit nutzbaren Vorteilen jeweils für den einen oder den anderen Partner? Oder ungleich brisanter: AbaPeal oder YapAcus mischen gemeinsam den Banking- und Software-Markt in der Schweiz auf?

In der Schweiz sind sich wohl alle einig, dass das KMU-Geschäft grosses Potenzial zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen hat. Da ist doch vieles über die Jahre ziemlich angestaubt und verstaubt geworden. Zudem dürfen wir nicht vergessen, dass sich auch die KMUs einer Welt ausgesetzt sehen, die sich zunehmend und schnell digitalisiert. Das bedeutet, dass auch hier, genauso wie im vorhin angesprochenen Privatkunden-Bereich, die Finanzinstitute sich überlegen und fragen müssen: In welchem Umfeld bewegen sich meine Kunden in Zukunft? Was muss ich unternehmen, dass ich sie ihn ihrem digitalen KMU-Umfeld unterstützen kann und sie meine Kunden bleiben?

Wir haben uns diese Gedanken gemeinsam mit Abacus intensiv gemacht. Claudio Hintermann, der CEO von Abacus, hat ja bereits letzte Woche hier einen Einblick in die sich digitalisierende KMU-Welt gegeben. Vollautomatisierter Spesenprozess, A.L.A. (Autonomous Life Accounting), Real-Time-Finanz-Prognosen, automatisierter Kreditprozess und vieles mehr – das kann man von der strategischen Partnerschaft von Abacus und Yapeal erwarten.

Wir werden unsere neuen Services laufend vorstellen, für die ersten muss man sich nur noch ganz wenige Wochen gedulden.

Der Interviewpartner: Thomas Hilgendorff

Thomas Hilgendorff ist CEO der Neo-Bank Yapeal – das FinTech hat er im Juni 2018 gemeinsam mit 14 Co-Founders gegründet.

Hilgendorff hat seine berufliche Karriere mit einer kaufmännischen Lehre und einer Ausbildung zum Programmierer bei einer Schweizer Versicherung gestartet. Er arbeitete als Programmierer und Projektleiter, unter anderem bei einem Retailer sowie bei Schweizer Banken, war für die Informatik einer Schweizer Kantonalbank verantwortlich und leitete den Bankenbereich eines amerikanischen Beratungsunternehmen.

Thomas Hilgendorff war Informatik-Bereichsleiter bei einer grossen Schweizer Bankengruppe, bevor er 2009 mit einem Kollegen sein eigenes Beratungsunternehmen gründete. Er ist zudem Gründer einer Venture Capital Firma, welche in Schweizer und in deutsche FinTechs und RegTechs investiert ist.

Hilgendorff ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Zu seinen Leidenschaften gehören unter anderem Skifahren und Eishockey (Veteranen).