Digitale Banken

Wer wird für klassische Banken zum härtesten Gegner?

Banker schaut auf die Skyline der Stadt
Bild: James Teohart | Getty Images

Etablierte Finanzinstitute geraten von drei Seiten unter Druck – und der mit Abstand härteste Gegner sitzt im eigenen Haus.

Banking defniert sich laufend neu und der Druck auf die Geschäftsmodelle klassischer Banken nimmt zu. Das ist nicht erst seit der Inkraftsetzung der PSD2 der Fall, zumal die Auswirkungen von Open Banking erst in den nächsten Jahren spürbar sein und richtig durchschlagen werden.

Um Open Banking geht's aber vordergründig gar nicht, weil die PSD2 "nur" eine Regulierung ist und Open Banking ein neuer Zugang zu Zielgruppen und ein Beschleuniger für neue Geschäftsmodelle. Allerdings kann die Rolle des Dirigenten immer wieder anders und mehrfach besetzt werden – wer die richtige Musik spielt, wird auch als Dirigent Erfolg haben. 

So gesehen ist Open Banking selbst weder Drohkulisse noch Heilsbringer, viel wichtiger ist, wer sich der neuen Kanäle bedient, wer aktiv am Rad dreht und wer sich mit der Statistenrolle begnügt. Diese Rollenverteilung ist nicht festgelegt und die wirklich guten Rollen können von allen Mitspielern beansprucht und auch besetzt werden. 

Aus welchen Ecken kommt der steigende Druck, dem etablierte Finanzinstitute zunehmend ausgesetzt sind, und wer sind die Gegner, welche den Banken das Wasser abgraben wollen?

Zum einen: Neo-Banken und Digitalbanken

Was mit Monzo, N26, Revolut und inzwischen vielen anderen vor ganz wenigen Jahren begann, bekommt zunehmend Konturen, Form und vor allem Grösse. Die Kundenzahlen der neuen Smartphone-Banken steigen explosiv, die Konzepte der Digitalbanken mit smarten Leistungen, viel Komfort und Gebühren, die zwischen sehr günstig und kostenlos liegen, kommen an.

Diese Challenger Banken, welche absolut kundenzentriert agieren und in Sachen Entwicklung und Bereitstellung neuer Features als Schnellboote unterwegs sind, werden als Einzelerscheinung etablierten Banken (noch) nicht gefährlich. Nur, es sind bereits heute keine Einzelerscheinungen mehr, sie sind im Rudel unterwegs, operieren aggressiv und haben eine Gemeinsamkeit: Sie treten als wahrnehmbare Gruppe gegen das etablierte Banking an und überzeugen ihre Kunden mit schlagenden Argumenten und Erfolg von den Vorteilen der neuen Bank in der Hosentasche.

Aktuellstes Beispiel: Alior Bank, die polnische Bank mit steigenden Kundenzahlen und solider Bilanz ist der Ansicht, "Globale Bedürfnisse brauchen eine neue Bank", startet deshalb eine Digitalbank für Europa, will Banking neu denken, sagt hohen Gebühren den Kampf an, verspricht volle Transparenz, setzt auf Open Banking und wird die Allianz der bereits bestehenden Neo-Banken ab Herbst 2018 verstärken. Die Alior Bank wird nicht der letzte Zugang bleiben, die Digitalbanken formieren sich laufend neu und holen erst richtig Anlauf.

Zum anderen: Big Techs

Technologie-Giganten wie Amazon, Apple, Facebook, Google und andere werden das Bankgeschäft nicht unangetastet lassen. Sie alle verfügen über gewaltige Kundenstämme – und diese Kunden brauchen Konten, Zahlungsverkehr, Kredite, Investitionsmöglichkeiten und mehr. 

Wird zum Beispiel Amazon zur Bank? Oder begnügt sich Jeff Bezos weiterhin damit, Banken pitchen zu lassen, um selbst Nicht-Bank zu bleiben, aber als Bank agieren zu können? Letzteres ist wahrscheinlicher, weil Amazon so sämtliche Filetstücke des Bankings anbieten kann, Konditionen diktieren wird, Ausführung und wenig ertragreiche Bereiche dann aber Bankpartnern überlässt, die dabei Gefahr laufen, zu Erfüllungs-Agenturen degradiert zu werden.

Amazon ist nur eines der Big Techs, auch andere haben Pläne. Welche Strategien sie auch wählen und welche Wege sie auch gehen werden, aufgrund von Marktmacht und gewaltiger Kundenzahlen könnten die Ausschläge auf der nach oben offenen Richterskala mittelfristig für ein heftiges Beben sorgen – und damit für klassische Finanzinstute zur Bedrohung werden. 

Für Big Techs könnte die PSD2 und damit Open Banking die Tore für alles Gewünschte sehr weit öffnen, mit möglicherweise drastischen Folgen: attraktive Finanzdienstleistungen werden Teil der Ökosysteme der Technologie-Unternehmen – weniger interessante Bereiche bleiben bei den Banken oder werden an Partner-Banken ausgelagert, welche aufgrund der schieren Grösse von Auftraggeber und Volumen kaum nein sagen werden.

Zum Dritten: die eigene Bank als härtester Gegner

Was sich auf den ersten Blick seltsam liest, ist es nicht. Der härteste Gegner und der grösste Konkurrent der traditionellen Banken ist die Bank selbst. Dieser Gegner, der zum besten Partner werden könnte, kann über drei Wege sichtbar und spürbar gemacht werden:

1. Die klassische Bank wird zur hybriden Digitalbank

Ein langer Weg, eine schmerzhafte Transformation und eine neu erschaffene Startup-DNA, welche nicht auf Anhieb in allen Bereichen durchschlagen wird. Der Sprung zur Digitalbank ist für etablierte Banken aufgrund von Geschichte, Kultur, Grösse, Strukturen, Regulierungen oder auch aufgrund bestehender Legacy-Systeme und Prozesse ein Kraftakt. Deshalb wird eine klassische Bank nicht über Nacht zur Digitalbank. Sie beginnt nicht auf einem weissen Blatt Papier, sie tritt gegen sich selber an, sie tritt gegen Altlasten an, immer wieder, und kämpft gegen Kultur, Traditionen und Gewohnheiten an. Sie kann sich selbst, ihre Geschäftsmodelle, Prozesse und mehr, nur in sorgfältig geplanten Schritten transformieren, weil über eine längere Zeit zwei Kulturen unter einem Dach gelebt werden. Als Notwendigkeit und mit Blick auf bestehende Kunden, die im Boot bleiben sollen, während neue Kunden dazugewonnen werden können.

Die Bank wird damit zu ihrem härtesten Gegner, weil sie sich selbst laufend in Frage stellt. Geht eine klassische Bank diesen Weg, wird sie als Digitalbank zumindest ein Stück weit selbst zur Challenger Bank und konkurrenziert oder kannibalisiert dadurch einen Teil ihres bisherigen traditionellen Geschäftsmodells. Allerdings, und darin liegen Chancen, sie konkurrenziert auch die konventionellen Geschäftsmodelle anderer etablierter Banken.

Mit diesem Modell wird die etablierte Bank nicht zur ausschliesslichen Digitalbank, sie verfolgt einen hybriden Ansatz. Als hybride Bank verbindet sie das Beste aus traditionellem und digitalem Banking und lässt Kunden die Wahl, ob sie offline oder online agieren möchten. Je nach Kundengruppe und Bedürfnissen, kann sie als digitale Bank, als eher traditionelle Bank mit Beratung und Filialen oder als die Kombination wahrgenommen werden, die ein Kunde sich für seine Bankgeschäfte wünscht.

2. Die etablierte Bank eröffnet eine Digitalbank auf der grünen Wiese

Der Unterschied zum ersten Weg liegt in in der klaren Trennung von zwei Kulturen. Eine grüne Wiese braucht's dazu nicht, weil die Digitalbank keine Filialen hat, aber die Neo-Bank operiert ausserhalb des Mutterhauses. Als autonome Digitalbank segelt sie unter einem anderen Brand, startet völlig ohne Altlasten, ist mit starken Teams, Startup-DNA und reichlich Kapital ausgestattet, um all das auf die Beine zu stellen, was eine erfolgreiche Digitalbank ausmacht. Sie operiert mit sämtlichen Möglichkeiten einer Challenger Bank und wird dadurch zur Konkurrentin des Mutterhauses. 

Dieses Mutterhaus wird allerdings niemals den Fehler begehen, ihrer wachsenden autonomen Tochter die Flügel stutzen zu wollen, aus der Erkenntnis heraus: ein bisschen Digitalbank geht nicht, nur volle Fahrt voraus in die digitale Zukunft kann eine Challenger Bank zum Erfolg führen. Unvermeidliche Kannibalisierungseffekte sind eingeplant, die Erträge bleiben zumindest im eigenen Konzern.

Mutterhaus und Digitaltochter finden als Konkurrentinnen auf Konzernebene gemeinsam heraus, welche Geschäftsmodelle in Zukunft funktionieren und welche eben nicht. Und weil die Digitalbank wie ein Schnellboot operiert, kann sie sich veränderten Kundengewohnheiten ebenso schnell anpassen. Mit wachsendem Erfolg wird sie diese Gewohnheiten sogar mitprägen, ihre Zielgruppen "lesen", noch nicht ausgesprochene Wünsche vorwegnehmen und mit grossartigen Angeboten und Funktionen erfüllen.

Mit zur Strategie gehört, dass die neue Konkurrenz aus dem eigenen Konzern im Laufe der Zeit auch die Kultur der traditionellen Bank beeinflusst, ohne deren Grundfesten zu erschüttern. Das kann mithelfen, das jeweils Beste aus den Welten des traditionellen und des zukunftsorientierten digitalen Bankings entspannt zu betrachten und längerfristig strukturell in die richtigen Bahnen zu lenken. Das ist wichtig, weil die selbstgeschaffene Neo-Bank im eigenen Konzern nicht die einzige Konkurrenz bleiben wird – die Big Techs und eine wachsende Zahl fremder Neo-Banken und Digitalbanken greifen ebenfalls an und wollen etablierten Banken Terrain streitig machen.

Auch dieses Modell verfolgt den hybriden Ansatz, allerdings auf Konzern- und nicht auf Bankebene, mit einer klaren Trennung zwischen traditionellem und digitalem Banking. Die Digitalbank gehört wohl zum Konzern, segelt jedoch unter eigener Flagge und agiert als Challenger Bank ohne Kompromisse.

3. Die traditionelle Bank hält fest an ihren Traditionen und bewegt sich keinen Millimeter

Aus der Überzeugung heraus, die letzten zweihundert Jahre ist alles gut gegangen, das wird auch die nächsten zweihundert Jahre so bleiben. Dieser dritte Weg ist die theoretische Variante und nur der Vollständigkeit halber Teil unserer Überlegungen. Kein Bank, welche die nächsten zwanzig Jahre überleben möchte, wird diese Haltung einnehmen. Und falls doch, wird sie schneller als gedacht zu ihrem härtesten Gegner – sichtbar durch schwindende Bedeutung und markante Verluste von Marktanteilen.

Gekommen, um zu bleiben

Wie gesagt, der dritte Weg ist nur eine theoretische Variante, weil man bei etablierten Finanzinstituten wie auch bei neuen Digitalbanken davon ausgehen kann: sie sind gekommen, um zu bleiben. Einfach wird der Kampf um Positionen und Marktanteile nicht, weil aktuell noch nicht mal alle Player aktiv und sichtbar im Spiel sind. Auch jene, die noch kommen, werden den starken Willen mitbringen, ebenfalls auf Dauer zu bleiben.

Deshalb ist heute noch nicht klar, wie sich die Karten in Zukunft verteilen werden. Die Zeiträume der nicht verteilten Karten können jedoch genutzt werden und verschaffen Spielraum. Mit den richtigen Strategien und Geschäftsmodellen und mit dem Mut zur Transformation können aussichtsreiche Positionen für den Neustart in die Zukunft heute schon besetzt werden. Auf der einen wie auf der anderen Seite.