Neo-Banken

Über FinTechs mit Banklizenz, die Bedeutung von Open Banking und über den Bankenplatz Schweiz als Arena

Puzzle mit einzelnen Teilen
Bild: opico | Getty Images

Seit kurzem ist Revolut Inhaberin einer europäischen Banklizenz. Was ändert sich dadurch für Kunden der Neo-Bank? Warum wird der Bankenplatz Schweiz zur Arena? Und was hat das mit einem Puzzle und mit Open Banking zu tun?

Nach Aussagen von Revolut ändert sich durch die Banklizenz für Kunden erstmal gar nichts. Was nach wenig klingt, ist es für den Moment auch – das wird sich jedoch ändern. Die Neo-Bank holt Anlauf.

In den nächsten Monaten will Revolut "eine Menge bauen und testen", um die Kundenkonten dahin zu bringen, wo das FinTech den Wert eines Bankkontos sieht:

"Diese Lizenz hilft uns bei der Erreichung unseres Ziels, ein Konto zu bauen, mit dem Sie jeden Aspekt Ihres Finanzlebens mit dem besten Wert und den besten verfügbaren Technologien verwalten können."

Kunden dürfen sich zurücklehnen, Revolut hat seit der Gründung vor gut drei Jahren bisher sehr konsequent den eigenen Worten jeweils kraftvolle Taten folgen lassen.

Stolperstein für 50'000 Schweizer Kunden bereits beiseitegeräumt

Nicht unbedingt im Zusammenhang mit der Banklizenz, aber sinnvoll und überfällig: Die über 50'000 Schweizer Kunden können sich ab sofort den gebührenpflichtigen Umweg über die Lloyds Bank in Grossbritannien sparen, wenn sie auf ihr Revolut-Konto einzahlen wollen. Das neu eröffnete Korrespondenz-Konto bei der Credit Suisse macht nun schnelle und kostenfreie Überweisungen möglich. Gut für Schweizer Kunden und gut für ein FinTech, das sich sehr stark über eine Null-Gebühren-Politik definiert.

Auf was sich 3 Millionen internationale Kunden freuen können

Ab Anfang 2019 will Revolut die neue Banklizenz in Litauen testen und im Laufe des Jahres schrittweise mit zusätzlichen Bank-Dienstleistungen in weitere europäische Märkte expandieren. Das FinTech kündigt an, neu über Dispokredite die Spielräume zu erweitern, Kunden können dann ihr Konto überziehen. Nach Revolut bedeutet das, dass sich Kunden dann "nicht mehr mit Negativsalden, automatischen Aufladungen und der lästigen Benachrichtigung über "unzureichende Mittel" befassen müssen". Dispokredit eben.

Zudem will die Neo-Bank "wettbewerbsfähige" Privatkredite anbieten. Was genau "wettbewerbsfähig" heisst, ist noch nicht näher definiert. Bei einer Bank, die Null- oder Niedrig-Gebühren in jedem Bereich zum Geschäftsmodell gemacht hat, darf man jedoch davon ausgehen, dass beste Konditionen Teil des Konzepts sein werden.

Weiterhin in der Pipeline: Online Trading und Aktienhandel zum Nulltarif

Bereits im April 2018 angekündigt und seit Mitte Jahr in der Mache: Aktienhandel, nicht günstig, sondern gleich kostenlos, ohne Kommissionen, ohne Provisionen. Zum Start sollen online kommissionsfrei britische und US-Aktien gehandelt werden können. Nach der Einführung der Online Trading-Plattform soll der Service auch auf europäische Aktien ausgeweitet werden.

Mit dem kostenlosen Service Revolut Wealth wollen die Revolut-Gründer traditionellen Online Trading-Plattformen das Leben schwer machen und über diesen neuen Kanal zusätzliche Kundensegmente ansprechen und gewinnen. Der Plan könnte gelingen, zumal es etablierten Handels-Plattformen schwerfallen dürfte, dem Nulltarif-Argument etwas Gleichwertiges entgegenzusetzen.

Revolut-Gründer Nikolay Storonsky hat bereits im Juni 2018 keine Zweifel an seiner Entschlossenheit aufkommen lassen, auch diesen Markt erobern zu wollen: 

Um es klar zu sagen, wir werden beim Aktienhandel die gleiche Disruption wie im Bankgeschäft verursachen

Und sonst?

Wachstum gehört auch im nächsten Jahr zu den erklärten Zielen von Revolut. So ist die digitale Bank dabei, ihre Inhouse-Zahlungsabwicklung zu tunen, welche mit der Einführung der Revolut Bank gestartet werden soll. Nach Angaben des FinTechs soll die Technologie des eigenen und internen Zahlungsabwicklers auf Millionen von Kunden skalierbar sein und keine Grenzen setzen.

Neben der geplanten Expansion in weitere Märkte, Europa und Übersee, wird die Neo-Bank ziemlich sicher auch mit Bank-Dienstleistungen überraschen, die aktuell noch nicht angekündigt sind. Das sibyllinische Statement von Revolut darf als Kampfansage in diese Richtung verstanden werden:

Täuschen Sie sich nicht, die nächsten 18 Monate werden das Spiel verändern!

Bankenplatz Schweiz als Arena

Neben Revolut sind auch weitere Spielveränderer und Neo-Banken am Werk. Zum Beispiel N26 – die Digitalbank expandiert ebenfalls stark, hat aktuell 1,5 Millionen Kunden und will 2019 in der Schweiz starten. Dazu kommen einheimische Neo-Banken wie zum Beispiel Yapeal – das vielversprechende Startup will 2019 in den Markt gehen und bereits 2020 mit eigener Banklizenz unterwegs sein.

Weitere Player sind ebenfalls mit im Spiel und sie alle werden in der Arena der neuen und etablierten Banken ihr Bestes geben. Das verändert nicht von heute auf morgen alles, es setzt jedoch neue Akzente. Neo-Banken positionieren sich zunehmend als moderne und smarte Alternative im Banking. Nicht nur für Neophile und Tech Freaks, für ganz normale Menschen und breite Zielgruppen.

Die neuen Banken bieten oftmals attraktive und schnell wachsende Leistungspakete, welche auf aktuelle Kundenwünsche zugeschnitten sind. Und diese Schnellboot-Banken reagieren sofort auf Kundenbedürfnisse, die sich verändern. Die kleinen Startups von einst sind innerhalb von wenigen Jahren zu Schwergewichten geworden – zumindest zu ernstzunehmenden Konkurrenten mit Wachstums-Potenzial. 

Etablierte Banken werden versuchen, durch Leistung, Qualität und Konstanz zu überzeugen. Die wachsende Zahl der Neo-Banken will mit neuen Leistungen, smarten Services und mit Gebühren punkten, die oftmals gegen Null tendieren.

Wer von den Etablierten und wer von den Neuen Terrain verteidigen oder erobern kann, bleibt abzuwarten. Heute schon klare Sieger: Kunden, die sich nach ihren Wünschen den persönlichen Finanzdienstleistungs-Baukasten zusammenstellen können, der ihrem Temperament entspricht.

Warum die Bedeutung von Open Banking zunehmen wird

Kunden entscheiden sich heute noch mehr oder weniger bewusst für eine traditionelle Bank oder für eine Neo-Bank. Das Konto bei ihrer Hausbank behalten sie, weil sie zufrieden sind – oder auch, weil sie zum Wechseln zu träge sind. Für eine Neo-Bank entscheiden sie sich, weil neue Leistungen, smarte Services und tiefe oder sogar Null-Gebühren überzeugen.

Diese bewusste Wahl, die Entscheidung für das Traditionelle oder für das Coole, wird sich nicht auf Dauer halten. In Zukunft werden sich Menschen weniger für eine bestimmte Bank oder einen spezifischen Banktyp entscheiden, sie werden schlicht auf Leistungen und Services setzen. Und diese Leistungen holen sie sich dort, wo sie überzeugend angeboten werden. 

Nicht jeder Bankkunde braucht dasselbe. Deshalb werden weniger ganze Pakete eingekauft, vielmehr werden jene Services "zusammenkomponiert", die ein Kunde aktuell braucht. Ändern sich bei den Kunden Lebenssituation und Wünsche, wird eben neu komponiert und zusammengestellt. Aus unterschiedlichen Quellen und von verschiedenen Anbietern. Die Treue zur Hausbank wird schwinden, die Lust auf die jeweils beste Service-Komponente pro Bereich wird zunehmen. 

Ein Finanzdienstleister, ob traditionelle Bank oder Neo-Bank, kann nun sagen: Wir bieten alles. Einfach alles. Das wird ihn auf Dauer nicht retten, weil kein einzelner Anbieter jeden Bereich mit dem besten, attraktivsten und günstigsten Angebot besetzen kann. Zumal noch nicht mal alle Kunden unter dem "Besten" dasselbe verstehen.

Banking als Finanzdienstleistungs-Puzzle

Deshalb werden Plattformen, Kooperationen und Ökosysteme wichtiger. Weil Kunden ihr individuelles Finanzdienstleistungs-Puzzle nach ihren eigenen Vorstellungen zusammensetzen werden. Wer als Anbieter, ob traditionelle Bank oder Neo-Bank, das Prinzip von Open Banking verinnerlicht hat und lebt, wird profitieren. Ein Dienstleister wird von Baukasten-orientierten und immer wieder neu komponierenden Kunden bei jenen Service-Komponenten den digitalen Handschlag bekommen, die aktuell (und individuell!) als die besten, attraktivsten oder günstigsten wahrgenommen werden.

Diese veränderten Verhaltensweisen von Kunden mögen zum Teil heute bestehende Geschäftsmodelle infrage stellen, in der Konsequenz vergrössern sie den Markt und bieten enorme Chancen. Für jene Anbieter, ob traditionelle Bank oder Neo-Bank, welche in der Lage sind, die Wünsche von Kunden in unterschiedlichen Lebenssituationen zu lesen und ins Zentrum zu stellen.