Die Zukunft der Finanzindustrie

Future of Financial Institutions – View 2030: Eine Kurzgeschichte aus der Zukunft von Stefan Bütler

Stefan Bütler, Mitgründer und Mitglied des Swiss Fintech Innovations Management Teams
Stefan Bütler, Mitgründer und Mitglied des Swiss FinTech Innovations Management Teams

Wie tickt und funktioniert die Finanzbranche in zehn Jahren? Sechs Schreiberinnen und Autoren fokussieren auf 2030 und berichten aus der Zukunft.

Die Arbeitsgruppe "Future Finance" von Swiss FinTech Innovations (SFTI) hat umfangreiche Recherchen und Analysen durchgeführt und zeichnet im Diskussionspapier "Future of Financial Institutions – View 2030" ein klares Bild der treibenden Kräfte und Elemente des Wandels. Dieses Diskussionspapier soll den Gedankenaustausch über die Zukunft des Finanzwesens unterstützen sowie dazu motivieren, Zukunft, Struktur und Basis der Finanzindustrie gemeinsam zu gestalten.

Acht Schlüsselthemen (Keythemes) aufgeteilt in vier Bereiche erachtet SFTI als prägend für die Zukunft der Finanzindustrie: 

  • People (Increased Importance of Trustworthiness / Changing Behavior)
  • Immediate Environment (The Empowered Digital Customer / Ubiquity of Digital User Interface)
  • Broader Environment (Explosion in Digital Assets / Explosion in Private Digital Data)
  • Business Landscape (Changing Business Models / Changing Business Ecosystems)

Die Geschäftsleitungsmitglieder von SFTI stellen diese acht Schlüsselthemen in Zusammenarbeit mit MoneyToday.ch in sechs Kurzgeschichten vor. Heute die Betrachtungen von Stefan Bütler.


Wir schreiben das Jahr 2030…

…es ist 5:30 Uhr morgens und ich werde von einer weiblichen Stimme aus dem Schlaf gerissen. Ihr Tonfall erinnert an den eines Drill Sergeant der US Navy. Noch bevor ich die Augen öffnen kann, fordert Heidi mich auf, meinen Hintern aus dem Bett zu bewegen und meine Sportklamotten anzuziehen. In einem etwas sanfteren Ton erklärt sie mir dann, dass heute ein idealer Tag für Frühsport sei. 5:30 Uhr ist einfach nicht meine Zeit, seufze ich innerlich. Trotzdem stehe ich auf, lasse mir schnell einen Kaffee aus der Maschine (so viel Zeit muss sein) und binde mir die Joggingschuhe. 

Während der Laufrunde spielt Heidi meine Lieblingssongs und informiert mich auch gleich über mein Tagesprogramm. Eine geplante Videokonferenz musste leider kurzfristig abgesagt werden. Um einen neuen Termin muss ich mich aber nicht kümmern, das hat Heidi natürlich schon für mich erledigt. Sie hat ihn so gelegt, dass ich vorher noch einen kurzen Spaziergang im Wald machen kann – für mich eine der besten Möglichkeiten, mental meine Argumente durchzugehen – zumal meine beiden Gesprächspartner auch zu den hartnäckigen Brocken gehören. 

Auch der nächste Zahnarzttermin ist nun fix in meinem Kalender eingetragen. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich diesen gerne noch etwas weiter hinausgezögert, da mich dieser Gang einfach immer wieder Überwindung kostet. Aber Heidi lässt darüber keine Diskussion zu, und sie hat ja auch Recht. Seit sie mich am Abend regelmässig daran erinnert, Zahnseide zu benutzen, mache ich mir eigentlich auch keine Sorgen mehr, dass gebohrt werden muss.

Meine Rechnungen für den laufenden Monat hat Heidi auch bezahlt – Mahnungen und Mahngebühren, früher ständig in meinem Online- oder Offline-Briefkasten, kommen in meinem Leben nicht mehr vor. Zum Schluss unterbreitet mir Heidi einen spannenden Anlagevorschlag, um von den aktuellen Marktentwicklungen zu profitieren. Heidi kennt meine Werte und Präferenzen und ihre Argumentation ist überzeugend. Mit einem kurzen «Das passt für mich» erteile ich ihr die Erlaubnis zum Kauf. 

Wo andere eine persönliche Sekretärin, eine Anlageberaterin und zusätzlich eine Personaltrainerin brauchen, habe ich einfach Heidi. Sie vereint all diese Rollen und noch viele mehr. Heidi weckt mich nicht nur jeden Morgen und plant zusammen mit mir meinen Tagesablauf, sie ist auch mein Lebenscoach und daher um meine Fitness, mein persönliches Wohlergehen und auch meine finanzielle Unabhängigkeit besorgt. Heidi und ich sind seit sechs Jahren ein eingeschworenes Team und ich verlasse mich jeden Tag auf sie. Heidi gibt viel, verlangt aber nichts – abgesehen von einem überschaubaren monatlichen Beitrag.

Obwohl sie so eng mit meinem Leben verwoben ist, lässt sie mir genügend Privatsphäre. Sie weiss aufgrund meiner Präferenzen und meines Lebensstils, wann sie sich einschalten und wann sie sich zurückziehen muss. Auch meiner Beziehung kommt sie nicht ins Gehege. Zickenkrieg zwischen ihr und meiner Partnerin? Gibt es nicht!

Heidi steht für die Schweizer Werte Zuverlässigkeit, Sicherheit, Bescheidenheit aber auch persönliche Freiheit. Das unterscheidet sie von vielen anderen digitalen Assistentinnen, die es auf dem Markt gibt. 

Heidis Geschichte

Die Geschichte der Persönlichen Digitalen Assistenten geht bis in die 1990er-Jahre zurück. Heidis Vorfahren Siri und Alexa konnten jedoch einzig Antworten auf einfache Fragen geben und werden heute eher als Sprachliche Eingabehilfen, denn als wirkliche Persönliche Digitale Assistenten bezeichnet. 

Der grosse Durchbruch der digitalen Assistenten ist auf die COVID-19 Pandemie im Jahr 2020 zurückzuführen. Während des fast zweimonatigen COVID-19 Lockdowns mit Physical Distancing und strengen Hygienevorschriften haben Online Shopping, Mobile Payment, Video-Conferencing und Tools zur digitalen Zusammenarbeit einen regelrechten Boom erlebt.  

Im Nachgang zum Lockdown haben die Tech-Giganten ihre Assistenten mit Corona-Tracking-Fähigkeiten aufgerüstet. So haben sie ihren Nutzern beispielsweise den schnellsten Weg zum nächsten offenen Lebensmittelmarkt aufgezeigt und sie auf die aktuell geltenden Hygienevorschriften hingewiesen. Diese neuen Fähigkeiten führten zur starken Ausbreitung von digitalen Assistenten auf der ganzen Welt. 

Die Tech-Giganten Apple, Google und Facebook haben ihre digitalen Assistenten danach kontinuierlich ausgebaut. Weil deren Geschäftsmodelle jedoch darauf ausgerichtet waren, die persönlichen Daten der Nutzer zu monetarisieren oder ihnen irgendwelche Lifestyle-Produkte anzudrehen, realisierten die Nutzer schnell, dass ihre digitalen Assistenten sie im Leben nicht weiterbringen. 

Heidi – made in Switzerland

Doch auch der Schweizer Finanzmarkt nutzte den Digitalisierungsboom nach dem COVID-19 Lockdown und investierte in den Ausbau seiner Innovations- und Digitalisierungskraft. So kam es dann auch, dass die Geburtsstätte von Heidi nicht das Silicon Valley, sondern ein Innovationslabor einer Schweizer Bank ist.

Im Gegensatz zu ihren "Vorfahren" lernt Heidi die persönlichen Bedürfnisse und Lebensziele ihrer Kunden kennen und ist darauf programmiert, die Ziele ihrer Nutzer positiv zu unterstützen und ihr Leben wirklich zu vereinfachen. Das hervorstechende Alleinstellungsmerkmal von Heidi ist allerdings der vertrauensvolle Umgang mit Sicherheit und den persönlichen Daten.

In Nutzertests hat Heidis Entwickler nämlich festgestellt, dass die Nutzer bereit sind, eine monatliche Gebühr für eine Persönliche Digitale Assistentin zu zahlen, wenn diese ihr Leben wirklich vereinfacht und positiv beeinflusst. Heidis Geschäftsmodell basiert deshalb nicht auf Werbung oder dem Verkauf von Daten, sondern auf der sicheren Verwahrung der Daten und konsequenter Nutzerzentrierung.   

Datensicherheit und Vertrauen wichtiger als reine Funktionalität

Natürlich gibt es neben Heidi noch weitere persönliche Assistentinnen und ich habe die verschiedenen Angebote miteinander verglichen. So hat zum Beispiel Alexa 4.0 ein grösseres Angebot an zusätzlichen Fähigkeiten und Siri 3.0 eine nettere Stimme. Schlussendlich habe ich mich dann trotzdem für Heidi entschieden. Ausschlaggebend war, dass ich meine persönlichen Daten lieber Heidi und meiner langjährigen Schweizer Hausbank als einem amerikanischem Tech-Unternehmen anvertraue.

Die oben beschriebene Entwicklung hin zu mehr Convenience bei gleichzeitig zunehmender Bedeutung von Sicherheit und Vertrauen, sind nur zwei von acht Schlüsselthemen, die im Diskussionspapier «Future of Financial Institutions» beschrieben werden. Tatsächlich werden die Veränderungen des Kundenverhaltens und das Bedürfnis nach mehr Convenience bei gleichzeitig hoher Sicherheit die Geschäftsmodelle der heutigen Finanzinstitute stark beeinflussen. Hierzu beschreibt das Diskussionspapier auch erste Gedankenanstösse wie beispielsweise das Denken in Ökosystemen, den Rollenwechsel vom Berater zum Coach und Massnahmen zur Positionierung als vertrauensvoller Partner.



Der Autor: Stefan Bütler

Stefan Bütler ist Mitgründer und Mitglied des Swiss FinTech Innovations Management Teams.

Stefans Wurzeln sind in Technologie und Banking verankert. Seit seinem Studium der Wirtschaftsinformatik baut er Brücken zwischen Strategie, Business und IT.

Unternehmen weiterzuentwickeln oder sogar neu zu erfinden, hat Stefan schon immer fasziniert – genau das hat er auf seinen verschiedenen Stationen bei IBM und Bank Vontobel praktiziert. Stefan kombiniert sein unvoreingenommenes und kreatives Denken mit Erfahrung in Projektmanagement und schlägt als "Baumeister" die Brücke zwischen Strategie und der pragmatischen Umsetzung.

Heute arbeitet Stefan als Experte für Wachstum durch Innovation bei Crosswalk Management Consultants. Mit Kreativität und verständlichen Ansätzen sowie mit unternehmerischem Mindset und seinem Netzwerk bringt er sich für den langfristigen Erfolg seiner Kunden ein.