Geldautomaten

Warnstreik der Geldtransporter-Fahrer: Geldautomaten ohne Bargeld

Menschen am Geldautomaten
Bild: andresr | Getty Images

Ein bundesweiter Warnstreik soll in Deutschland den Bargeldverkehr stören und Geldautomaten austrocknen lassen. Und warum dadurch das Konzept der virtuellen Geldautomaten Auftrieb bekommen könnte.

Die deutsche Gewerkschaft Verdi will der Forderung nach mehr Geld für Beschäftigte bei Geldtransportfirmen mit einem Warnstreik Nachdruck verleihen. Betroffen sind Banken, Handel und vor allem auch Geldautomaten, die nicht mit frischem Bargeld versorgt werden. Der Streik vom vergangenen Mittwoch soll dazu führen, dass nach den Feiertagen Bargeld-Ebbe herrscht.

Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi soll mit diesem Warnstreik ein sichtbares und auch für Konsumenten spürbares Zeichen gesetzt werden. Die Gewerkschaft rechnet damit, dass "der Bargeldverkehr durch die Streiks erheblich gestört wird". Je nach Beteiligung der Beschäftigten am Warnstreik, pro Quelle gibt's unterschiedliche Zahlen, schlägt die Massnahme stärker oder schwächer auf Geldautomaten durch. So oder so sollen "hunderte" Geldtransporte vom Ausstand betroffen sein.

Der Hintergrund des Warnstreiks

Die Gewerkschaft fordert für bundesweit rund 12'000 Beschäftigte eine Erhöhung des Stundenlohns um 1,5 Euro. Zudem will Verdi eine Angleichung der Löhne in Ost und West erreichen. Nach Angaben der Gewerkschaft liegen die Löhne für Geldzähler und Geldtransportfahrer im Westen bei 2'200 bis 2'900 Euro brutto pro Monat, deren Kollegen im Osten müssen sich mit 1'800 bis 2'400 Euro begnügen. Die Tarifverhandlungen laufen seit einiger Zeit, bisher ergebnislos. Wird in nächsten Gesprächen am Donnerstag und Freitag keine Einigung erzielt, droht Verdi bereits heute mit einer Ausweitung der Arbeitsniederlegungen.

Analoge Kampfmassnahmen im analogen Zahlungsverkehr

Mit dem Streik stört oder kappt Verdi eine der wichtigen Lebensadern für den analogen Zahlungsverkehr. Der Termin für den Warnstreik dürfte nicht ganz zufällig gewählt worden sein – nach den Feiertagen sind Banken, Handel und Geldautomaten verstärkt auf den Bargeld-Nachschub angewiesen. Bleibt das neue Bargeld aus, gibt's auch kein Geld am Automaten.

Ob die Solidarität der bargeldlosen Bevölkerung für die Anliegen der Geldtransport-Branche steigt, darf bezweifelt werden. Allerdings sorgt der Ärger an leeren Geldautomaten sicher für die von Verdi provozierte Aufmerksamkeit und verschafft den Forderungen bei den aktuellen Verhandlungen möglicherweise den gewünschten Nachdruck.

Bargeld beim Detailhändler und am Kiosk

In Deutschland agieren inzwischen zahlreiche Detailhändler und Ketten als virtuelle Geldautomaten. Über mehrere Anbieter und Apps gibt's via Smartphone Bargeld an der Supermarkt-Kasse. Das Netz wird laufend dichter und dürfte die klassichen Geldautomaten im Laufe der Zeit ersetzen – zumindest wenn's nur um die Bargeldbeschaffung und nicht um weitere Bankdienstleistungen geht.

In der Schweiz ist das Startup Sonect erfolgreich mit diesem Konzept unterwegs. Diese Art des Bargeldbezugs ist sehr praktisch, weil ganz normale Einkäufe mit der Cash-Beschaffung kombiniert werden können. Der Gang zum Geldautomaten fällt weg, Bargeld kann im Lädeli um die Ecke oder im Shop, Restaurants und Bars irgendwo bezogen werden.

Sonect hat inzwischen über 1'100 Läden in das Netzwerk der virtuellen Geldautomaten integriert. Mit der Valora-Kooperation Ende November 2018 hat das FinTech für seine Kunden die Möglichkeiten auf einen Schlag sprunghaft erweitert – neu kann an mehr als 900 Valora-Kiosken in der ganzen Schweiz sowie in sämtlichen Press & Book Shops über die Sonect App Bargeld bezogen werden.

Virtuelle Geldautomaten – das Konzept der Zukunft?

So wie in Deutschland, in der Schweiz und in anderen Ländern FinTechs dabei sind, diese Idee zu portieren und die Märkte laufend zu erweitern, so können auch Banken das Netz ihrer physischen Geldautomaten um ein Netz von virtuellen Automaten zu erweitern. Das produziert auf allen Seiten nur Gewinner. Die Bank steht als Dienstleister zwischen geldausgebenden Händlern und geldbeziehenden Kunden, sorgt für die zuverlässige Abwicklung der Transaktionen und macht mit diesem Service gleich zwei Kundengruppen ziemlich fröhlich.

Verdi ist eine deutsche Gewerkschaft, der Warnstreik betrifft keine Schweizer Geldautomaten – aber das Beispiel zeigt generell, dass durch Kampfmassnahmen Serviceleistungen gekappt und bei einer Ausdehnung des Streiks Geldautomaten eher grossräumig trockengelegt werden können. Bei allem Verständnis für die Anliegen der Geldtransporter-Fahrer – es ist nicht falsch, für eine gewerkschaftlich verordnete Bargeld-Ebbe einen funktionierenden Plan B in Betrieb zu haben. Das behindert nicht die notwendigen Verhandlungen am grünen Tisch, kann aber dafür sorgen, dass sich der Rest der Bevölkerung bargeldversorgt solidarisch zeigen darf.