Beziehungskiste mit Alexa?

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Das Rheingold Institut hat Alexa-Nutzern auf den Zahn gefühlt – Resultat: Alexa kann Ihre Beziehung gefährden. Vorsicht: Digitale Transformation ist nicht nur digital.


Warum das Verhältnis zur Technologie "inniger" wird

Alexa, der Sprachassistent von Amazon, kann eigentlich nichts dafür. Alexa liest ihren Benutzern buchstäblich jeden Wunsch von den Lippen ab (Amazon Echo) oder bald auch von den Augen (Amazon Echo Look). Sie tut alles, worum sie gebeten wird. Alexa verwaltet bereits in Millionen von Haushalten die Agenda, liefert gewünschte Informationen, führt Bestellungen aus, kennt die Wünsche und Vorlieben ihrer Nutzer und macht deshalb das Leben ihrer "Mitbewohner" wunderbar leicht. Zu leicht, finden einige weibliche Probanden, welche in der "bezaubernden Gefährtin" eine Konkurrentin wittern.

Ein Rentner legt als Teilnehmer der Studie im Tiefeninterview eine erste Fährte, woran das liegen könnte:

«Ich musste 75 Jahre alt werden um eine Frau zu finden, die mir nicht widerspricht»

Sebastian Buggert, Leiter Medienforschung und Mitglied der Geschäftsführung, Rheingold Institut, geht etwas tiefer und meint:

«Durch die Sprachsteuerung steht Alexa für eine völlig neue Form der Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Es zeigt sich deutlich, dass die Beziehung zur Technik noch inniger wird und Wünsche noch unmittelbarer erfüllt werden.»
 

"Bezaubernde Beziehung"
Alexa kitzelt das Ego, erfüllt Wünsche und vermittelt Geborgenheit

Das Rheingold Institut hat im Rahmen von tiefenpsychologischen Interviews eine Reihe von Probanden im Alter zwischen 20 und 75 Jahren sinnbildlich für zwei Stunden auf die Couch gelegt. Parallel dazu hat das Institut in einem breit angelegten Social Media Research Erfahrungsberichte von Usern ausgewertet. Der Pilot zur Eigenstudie ermittelt die zentralen Faszinations-Faktoren des Sprachassistenten Alexa und zeigt, wie sich das Verhältnis zur Technik wandelt.

Die zentralen Ergebnisse der Studie hat das Rheingold Institut als Überblick zusammengefasst:

1. Alexa wertet das Ego auf
Mit Alexa demonstriert der Nutzer seine Zugehörigkeit zur Technik-Avantgarde.

2. Alexa verheisst wundersame Wunscherfüllungen
Auf Zuruf werden das Radioprogramm, die Wettervorhersage und die Einkäufe gesteuert. Die Nutzer erfahren eine neue Ära der digitalen Allmacht.

3. Alexa vermittelt Ur-Geborgenheit
Auf Stimmen reagieren die Menschen bereits im Mutterleib. Damit schafft Alexa eine tiefe und stimmige Verbundenheit. "Immer ist jemand da, der zuhört und mit mir spricht." Vor allem für Singles vertreibt Alexa das Unglück der Stille. Dies führt jedoch mitunter auch zu einer Konkurrenz der Frauen zu Alexa.

4. Alexa ist die multiple Partnerin
Unbewusst projizieren die Menschen viele Beziehungs-Sehnsüchte auf Alexa. Haustier, Nanny, Mutter, Freundin, Coach – als Frau für alle Fälle ist Alexa wie die bezaubernde Jeannie aus der gleichnamigen US-Fernsehserie.

5. Alexa schürt Angst vor Kontrollverlust
Die Erfüllung geheimster Beziehungswünsche führt auch zu einer Angst vor Abhängigkeit und Hörigkeit. "Amazon wird zur Datenkrake, die mich kategorisiert und alles von mir weiss."

6. Alexas Unausgereiftheit enttäuscht und entlastet
Die Wunschmaschine hat Grenzen. Alexas enttäuschende Defizite, die technische Unausgereiftheit, die Verständnisschwierigkeiten und unsinnigen Auskünfte werden daher als erlösende Limitierungen erlebt. Sie vermitteln den Nutzern das Gefühl, der bezaubernden Alexa (noch) haushoch überlegen zu sein.

Alexa ist nur eine Stimme und Amazon Echo ist nur eine Maschine

Stimmt, aber dennoch nicht erstaunlich, dass der Umgang mit neuen Technologien von breiten Zielgruppen erst gelernt werden muss. Vor allem dann, wenn eine dienstbereite Alexa mit angenehmer Stimme rund um die Uhr im eigenen Wohnzimmer sitzt. Oder im Büro. Oder im Auto. So oder anders immer ganz nah und direkt beim Nutzer.

Dass die Zahl der Heiratsanträge an Alexa und damit die Beziehungskrisen nun sprunghaft zunehmen werden, glauben wir eher nicht, dass der richtige Umgang mit der neuen Technologie allerdings erst gefunden werden muss, hingegen schon. Das war mit den ersten PCs so, das war (und ist) mit Smartphones so und das trifft auf jede Technologie zu, welche Konsumenten völlig neue Spielfelder eröffnet.

Etwas schwieriger ist das immer dann, wenn die neue Technologie ganz nah an Menschen operiert und, wie im Beispiel von Alexa, mehr und mehr menschenähnliche Züge aufweist. Da liegt der wichtigste Lerneffekt im Bewusstsein, dass Alexa kein Mensch ist, der wie eine Maschine aussieht, sondern schlicht eine Maschine mit genialer Software und künstlicher Intelligenz, welche deshalb gut mit Menschen kommunizieren kann.

Herausforderung: Junge Zielgruppen an neue Technologien heranführen

Beim Bewusstsein im Umgang mit neuen Technologien geht's nicht primär um Erwachsene und auch nicht um Rentner, welche die Kommunikation ohne Widerspruch schätzen – die wichtigste Zielgruppe sind Kinder. Steht Amazon Echo in Millionen von Haushalten, ist Alexa auch für Jugendliche und Kinder ansprechbar. Das ist praktisch, weil Alexa ebenso viel zu Wissen oder Bildung beitragen kann, wie zum Beispiel Google. Klar, die beiden kooperieren ja auch.

Nur: Alexa kann noch viel mehr. Zum Beispiel auch Gutenacht-Geschichten erzählen, über Alexa Skills sogar in personalisierter Form. Das heisst, eine dreijährige Laura wird vor dem Einschlafen zur mitspielenden Hauptperson in der Geschichte von "Frau Holle", welche Alexa ihr vorliest. Die Rolle von Alexa als fantasievolle, fürsorgliche und kluge Nanny gibt Kitt und schafft Bindung. Möglicherweise mehr, als erwünscht und förderlich sein kann.

Deshalb gehört der Umgang mit neuen Technologien auf die Agenda von Politik, Kindergarten und Schule. Produzierte Defizite durch Unterlassungen in frühen Entwicklungsphasen können später zu Auswirkungen führen, die schwer zu korrigieren sein dürften.

Die nicht-digitalen Komponenten der Digitalen Transformation

Technologien sind in gewisser Weise Selbstläufer und entwickeln sich exponentiell. Das ist weder gut noch schlecht, einfach eine Tatsache. Die Wahl, wie wir mit neuen Technologien umgehen, bleibt jedoch Menschen überlassen und wird zur zentralen Aufgabe von Eltern, Institutionen und Politik. Deshalb ist die Digitale Transformation nicht nur digital, zahlreiche Komponenten der Transformation sind durchaus analog und bedingen pragmatische Vorgehensweisen.

Die nicht-digitalen Aspekte gehören sogar zu den wichtigsten Themen der Digitalen Transformation. Gerade deshalb, weil die Digitale Transformation zu umwälzenden Entwicklungen in der Zukunft führt und damit auch Herausforderungen bringt, welche pragmatisch gelöst werden müssen. Mit Konzepten und Entscheidungen, von vernunftbegabten Menschen gemacht und gefällt, welche alle Beteiligten betreffen und involvieren: Individuen, Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Bildung.

Damit jetzt und heute zu beginnen, ist eine gute Idee. Mögen uns Technologien, Entwicklungen und Auswirkungen rund um Smartphones, Facebook oder Whatsapp noch überrascht haben – die Richtung der digitalen Zukunft ist vorhersehbar, zumindest in den grundsätzlichen Punkten. Die Digitale Transformation ist omnipräsent und neue Entwicklungen werfen ihre Schatten sichtbar für alle voraus.

Autoren und Links

Wer ist das Rheingold Institut?
Ein Marktforschungsinstitut mit Sitz in Köln und San Francisco, das jährlich tausende von Explorationen zu allen Bereichen des Alltagslebens durchführt. Im Zentrum stehen Motive von Konsumenten und deshalb die Themen Medien, Marken, Kommunikation, Kundenbindung, Trends, Lebenswelten, Kaufverhalten oder auch Social Media.

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