Schweizerische Bankiervereinigung: Statement zur PSD2

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Rolf Brüggemann im Online-Magazin der Schweizerischen Bankiervereinigung zur Frage, ob die PSD2 für die EU als Revolution und für die Schweiz als Schreckgespenst betrachtet werden darf.

Rolf Brüggemann ist Geschäftsleitungsmitglied sowie Leiter Retail Banking und Capital Markets bei der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg). In Insight #1.17, dem Online-Magazin der SBVg, hat Brüggemann aktuell die Haltung zur PSD2 und zu deren Auswirkungen auf die Schweiz dargelegt.

Der Artikel ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Vor allem auch, weil er zu den bisher sehr dünn gesäten Statements von offizieller Seite zur PSD2 gehört – deshalb hat er, neben lesenswertem Inhalt, auch Seltenheitswert. Eine Replik von unserer Redaktion.

Das Grundsätzliche

Die Story bietet eine Auslegeordnung zur PSD2 im Allgemeinen und beleuchtet zusätzlich einige Detailaspekte zu aktuellen Stolpersteinen in der Umsetzung. Brüggemann beschreibt zum Beispiel die tobenden "Grabenkämpfe", welche aktuell im Zusammenhang mit vollem oder eingeschränktem Zugang für Zahlungsauslösedienste zu Bankkonten geführt werden. Der Autor wirft dabei auch einen Blick auf den "Teufel, der im technischen Detail steckt", weil unterschiedliche Interpretationen ökonomische Aussichten der Geschäftsmodelle sehr stark beeinflussen. Und mit dabei auch Überlegungen zu den Protagonisten und zur Betrachtung, wer eher profitieren und wer möglicherweise stärker konkurrenziert werden könnte durch die PSD2.

Das Europäische

Rolf Brüggemann lässt erstmal keinen Zweifel daran, dass es sich bei der PSD2 um eine Initiative und ein Regelwerk der EU handelt, welches die Schweiz in keiner Weise betrifft. Er verweist auf momentane Unklarheiten in Bezug auf technische Standards und ein einheitliches Interface, das idealerweise allen Zahlungsdienstleistern europaweit den Zugriff auf Bankkonten ermöglichen soll.

Das Schweizerische

Die Frage: Revolution auch für die Schweiz?, beantwortet Rolf Brüggemann so:

«Für die Schweiz ist das nicht direkt relevant, da die PSD2 als europäische Direktive nicht anwendbar ist, schon gar nicht für reine Inlandzahlungen in Schweizer Währung. Die PSD2 entfaltet ihren Anwendungsbereich nur innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums (EWR), nicht aber darüber hinaus.»

Und bei den von unserer Redaktion auch schon angeführten möglichen SEPA-Bezügen, doppelt er nach:

«Aus den SEPA-Rulebooks ergibt sich, dass die Bestimmungen der PSD2 im Heimatland der SEPA-Teilnehmer keine Teilnahmevoraussetzung sind. Das ist auch der Grund, weshalb weder die Behörden noch die Schweizer Zahlungsverkehrsdienstleister zurzeit eine Notwendigkeit sehen, hier in unnötigen Aktivismus zu verfallen oder gar Regularien zu erlassen.»

Am Ende doch ein bisschen PSD2 in der Schweiz?

Zum Schluss seiner Ausführungen relativiert Rolf Brüggemann und öffnet der laufenden Entwicklung doch wieder ein, zwei Türen in die Schweiz:

«Da die Schweiz aber keine Zahlungsverkehrsinsel darstellt, ist auch klar, dass die Schweizer Zahlungsverkehrsdienstleister über kurz oder lang mit den neuen Zahlungsverkehrsdienstleistern der EU konfrontiert werden, sei das weil sie direkt von solchen angegangen werden, sei das weil ein Kunde einer Schweizer Bank das Zahlungsangebot des neuen Zahlungsauslösedienstleisters in der Schweiz oder im Ausland nutzen möchte oder ein bestimmter Lieferant nur noch eine solche Zahlungsart zulässt. Es ist deshalb sicher nicht falsch, sich trotz Nichtanwendbarkeit der PSD2 in der Schweiz mit diesen Entwicklungen auseinanderzusetzen.»

Ein Kommentar von unserer Seite

Im Prinzip haben wir keinerlei Widerspruch zu den Ausführungen von Rolf Brüggemann, zumal sich die Haltung der Schweizerischen Bankiervereinigung und des Autors gegen das Ende des Artikels mit einer gewissen Zurückhaltung etwas wandelt und öffnet. Oder zumindest, neben formalen und rechtlichen Überlegungen, auch Aspekten des Marktes und des Wettbewerbs etwas Gewicht einräumt. Da möchten wir ansetzen.

Rolf Brüggemann hat in den zentralen Punkten sicher recht, die Schweiz ist nicht verpflichtet, die Regeln der erweiterten Zahlungsdienste-Richtlinie PSD2 zu übernehmen. Wie von uns schon mehrmals vertreten: Darum geht's im Kern jedoch auch nicht, es geht vielmehr und "lediglich" um eine Entwicklung in Europa, welche durch die PSD2 in der Auswirkung provoziert und ausgelöst wird – und bereits im Gange ist: Open Banking. Eine Entwicklung als Folge der PSD2. Und PSD2 als Beschleuniger für Open Banking.

Mag die PSD2 selbst als EU-Regelwerk die Schweiz auch nicht direkt betreffen, nur den Rest von Europa, dann zielt Open Banking als direkte Auswirkung der PSD2 mitten ins Herz des Bankengeschäfts – in ganz Europa und damit auch und gerade in der Schweiz. Weil Open Banking kein Hype und kein kurzlebiger Trend ist, der sich wieder legen wird, vielmehr eine gewaltige Welle, welche über neue Bedürfnisse, neue Geschäftsmodelle und deshalb neue Notwendigkeiten die Regeln des Banking auch neu definieren wird. Als Teil der digitalen Transformation, welche Gesellschaft, Kunden, unterschiedliche Zielgruppen, Wünsche, Forderungen, veränderte Verhaltensweisen, Banken, Finanzdienstleister, Drittanbieter, Frontends, Nutzungsgewohnheiten und sehr viel mehr mit einschliessen wird.

Ob man Open Banking freudig willkommen heisst oder erbittert ablehnt, darin eher Chancen oder primär Risiken erkennt, ob man gar nicht, ein bisschen oder aktiv daran teilnehmen möchte – das ist dem Phänomen "Open Banking" schlicht egal, weil: Open Banking selbst hat keine Wünsche und stellt keine Forderungen. Das eine wie das andere kommt vom Markt, findet im Wettbewerb statt, wird von Kunden, FinTechs und Drittanbietern befeuert – so wie auch vom aktiven Teil der Bankenkonkurrenz, der im Thema bereits seit längeren sehr engagiert unterwegs ist. Mit anderen Worten: Es ist nicht primär die PSD2, welche die Schweiz beschäftigen wird, Forderungen und Druck kommen vom Markt und Open Banking ist schlicht die Antwort auf die Entwicklungen und Anforderungen in den Märkten. Die PSD2 bleibt insofern wichtig, als sie die Standards definiert, die "gemeinsame Sprache" liefert, damit Europa harmonisiert mit Open Banking umgehen kann.

Deshalb geht es in keiner Weise darum, in Bezug auf die PSD2 «in unnötigen Aktivismus zu verfallen», allerdings mit einem Fragezeichen zur Haltung «oder gar Regularien zu erlassen». Im Zentrum steht die Notwendigkeit, in der Schweiz beste Voraussetzungen zu schaffen, damit Schweizer Banken, Finanzdienstleister und Bankkunden von der aktuellen Entwicklung und von der neuen Realität "Open Banking" aktiv profitieren können und nicht passiv vereinnahmt werden. Das bedingt eine gemeinsame Haltung der Schweizer Banken, klare Strategien, Absichtserklärungen der offiziellen Schweiz und, ja, sicher auch Regularien, welche die Regeln für die Schweiz definieren. Zumal betroffene EU-Staaten nach der aktuellen Roadmap die PSD2 bis 13. Januar 2018 in jeweiliges Länderrecht umgesetzt haben werden.

Selbstverständlich kann die Lösung für die Schweiz nicht darin liegen, «in unnötigen Aktivismus zu verfallen». Sinnvoll ist jedoch sicher, die Zeit zu nutzen. Und die könnte knapp werden, wenn sich die Schweiz aufs Beobachten beschränkt, keine gemeinsame Haltung entwickelt und niemand da ist, der die Themenführerschaft übernehmen mag.

Wie bereits gesagt, im Kern stehen wir nicht im Widerspruch zu den Ausführungen von Rolf Brüggemann. Im Gegenteil, wir gehen vor allem mit ihm einig, wenn er sagt: «Es ist deshalb sicher nicht falsch, sich trotz Nichtanwendbarkeit der PSD2 in der Schweiz mit diesen Entwicklungen auseinanderzusetzen.», fügen einzig hinter diese Aussage ein Ausrufezeichen dazu. Zudem platzieren wir aufgrund der Dringlichkeit die Empfehlung, passiv beobachtende "Auseinandersetzung" in "aktives Handeln" umzuformulieren. Mit anderen Worten: Wir plädieren schlicht dafür, konkret zu werden und dabei Tempo und Dynamik der Märkte im Auge zu behalten. Um uns herum brodelt es, Open Banking nimmt Gestalt an, und die Schweizer Banken sollten die laufenden Entwicklungen an vorderster Linie mitprägen. Tun sie das nicht, wird ausserhalb für uns geprägt, möglicherweise nicht unbedingt in unserem Sinne, das wäre schade.

Und noch etwas Marktforschung

Aus der Studie der Schweizerischen Bankiervereinigung
Über die aktuelle Studie der SBVg haben wir bereits ausführlich berichtet. Zwei Resultate der Befragung spiegeln das aktuelle Thema auch von der Seite der Bankkunden:

  • 65 Prozent der befragten Bankkunden sind der Meinung: Schweizer Banken gehören zu den Gewinnern der Digitalisierung.
  • Zur Frage: "Und gibt es Ihrer Ansicht nach in 20 Jahren die Banken noch?" folgende Meinungen:
    49 Prozent: Ja, aber in sehr veränderter Form
    6 Prozent: Nein, Finanzdienstleistungen werden künftig durch andere Anbieter erbracht

Zwei Drittel der Befragten "investieren" gedanklich in die Digitalisierung der Schweizer Banken und 55 Prozent der Bankkunden erwarten sehr starke Veränderungen in der Ausrichtung von Finanzinstituten. Das liest sich so, als wären Bankkunden bereit und offen für Veränderungen und für Open Banking.

Artikel von Rolf Brüggemann: "PSD2: Revolution in der EU, Schreckgespenst für die Schweiz?"


Stichworte zum Thema im Lexikon: PSD2 | Access to Account | Open Banking | Digitale Transformation