Fünf Fragen an Dr. Jana Essebier zu PSD2 und Open Banking

Dr. Jana Essebier, Vischer, Anwaltskanzlei für Wirtschaftsrecht
Bild: Dr. Jana Essebier, Vischer, Anwaltskanzlei für Wirtschaftsrecht

Wie sehen Branchenexperten die Auswirkungen der PSD2 und die Bedeutung von Open Banking für die Schweiz? Heute: Dr. Jana Essebier, Rechtsanwältin und Partnerin bei Vischer, Anwaltskanzlei für Wirtschaftsrecht.

Die PSD2 bewegt Europa und Open Banking schafft neue Spielregeln. Auch in der Schweiz? Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) hat ihre Haltung gefunden, definiert und kürzlich mit einem Positionspapier konkret Stellung bezogen. Unsere Redaktion nimmt aktuell den Puls der Branche – wir haben Experten aus verschiedenen Lagern um ihre Meinung zum Thema gebeten.

Exponenten aus dem Umfeld von Banken, FinTechs, Verbänden, Beratung, Medien und Recht nehmen Stellung. Ihre Statements bringen wir laufend in unserer Serie:

Fokus Schweiz | Meinungen zur PSD2 und zu Open Banking

Fünf Fragen an Dr. Jana Essebier von Vischer

Welche Auswirkungen hat nach Ihrer Betrachtung die EU-Regulierung PSD2 für die Schweiz?

PSD2 gilt nicht in der Schweiz. Sie gilt jedoch für Tochterinstitute von Schweizer Banken. Bereits heute werden sich daher alle grossen Schweizer Banken mit PSD2 auseinandersetzen müssen. Darüber hinaus wird PSD2, wenn sie denn tatsächlich zu einer Veränderung beim Zahlungsverkehr in der EU führen sollte, faktisch Auswirkungen auf die Schweiz haben. Die Schweizer Kunden werden von den Schweizer Banken vergleichbare Lösungen fordern. Schweizer Banken sollten die Entwicklungen deshalb aufmerksam beobachten.
 

Welche Bedeutung messen Sie Open Banking für den Finanzplatz Schweiz zu?

Open Banking ist ein Element im Rahmen der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Sicherheit der Kundendaten. Wie die Schweizerische Bankiervereinigung zu Recht betont, spielt das Thema Sicherheit der Kundendaten im elektronischen Banking eine zentrale Rolle. Aus meiner Sicht gilt dies für die Schweiz sogar noch verstärkt. Schweizer Marktteilnehmer könnten hier technologisch eine Vorreiterrolle übernehmen, indem sie Lösungen entwickeln, welche auch höchsten Ansprüchen an die Sicherheit der Kundendaten genügen.
 

Die SBVg bezieht Stellung und lehnt eine PSD2-analoge Regulierung für die Schweiz ab. Welche Signale werden dadurch gesetzt? Ist das ein Vorteil, ein Nachteil oder bleibt eine fehlende PSD2-analoge Regulierung ohne Auswirkungen für die Schweiz?

Ich begrüsse es, dass die Schweizerische Bankiervereinigung nunmehr klar Stellung bezogen hat. Sollten andere Marktteilnehmer eine andere Auffassung vertreten, dann sind sie damit aufgerufen, ihrerseits Gründe für ihre Position vorzubringen. Eine offene Diskussion ist wichtig.

Im gegenwärtigen Zeitpunkt teile ich die Auffassung, dass keine PSD2-analoge Regulierung in der Schweiz eingeführt werden sollte. Ich sehe in der fehlenden Regulierung zurzeit einen Vorteil. Denn der Teufel liegt tatsächlich im Detail. Viele Fragen sind noch offen und es bleibt abzuwarten, wie Banken und Drittanbieter damit umgehen werden. Für die Schweiz bietet sich als Nicht-EU-Mitglied die Möglichkeit, abzuwarten und basierend auf den ersten Erfahrungen in der EU dann einen fundierten Entscheid zu fällen.
 

Wird die PSD2 in ihren Auswirkungen generell überbewertet oder ist es tatsächlich eine umwälzende Neuerung?

Der Umstand, dass Banken gezwungen werden, ihre Kundenschnittstelle für Drittanbieter zu öffnen, ist aus rechtlicher Sicht eine umwälzende Neuerung. Sie stellt die Banken in Bezug auf die IT-Sicherheit zudem vor enorme Herausforderungen. Die tatsächlichen Auswirkungen auf den Markt hingegen bleiben abzuwarten.

PSD2 wird sicherlich zunächst einen Innovationsschub auslösen. Offen bleibt jedoch, was die Kunden über die heute bereits bestehenden Kontoinformations- und Kontoauslösedienste hinaus überhaupt nachfragen werden und ob Drittanbieter die Banken in diesen Bereichen verdrängen können. Man darf zudem nicht vergessen, dass die Drittanbieter zukünftig ebenfalls regulatorische Anforderungen beachten müssen. Dies hat Auswirkungen auf die möglichen Margen. Ich gehe daher von einem erheblichen Wettbewerbsdruck aus. Es bleibt daher abzuwarten, wie die Marktlandschaft in einigen Jahren aussehen wird und ob die Annahme der Schweizerischen Bankiervereinigung richtig ist, dass die Gewinner die "globalen Tech-Giganten" sein werden.
 

Welche Rolle wird Open Banking in fünf Jahren in Europa im Allgemeinen und in der Schweiz im Besonderen spielen?

Ich gehe davon aus, dass Open Banking die Zahlungsverkehrswelt in fünf Jahren verändert haben wird. Ob dies bedeutet, dass in fünf Jahren Open Banking der Massstab ist, und die globalen Internetunternehmen die Banken in Teilbereichen verdrängt haben werden oder ob es "lediglich" zu einer Veränderung des Angebots der heutigen Banken kommt, bleibt abzuwarten.

Die Interviewpartnerin: Dr. Jana Essebier

Dr. Jana Essebier ist Rechtsanwältin und Partnerin bei Vischer, eine der grössten Anwaltskanzleien für Wirtschaftsrecht in der Schweiz. Im Finanzmarktrecht engagiert, berät sie in- und ausländische Finanzmarktteilnehmer in den Bereichen des Regulierungsrechts und Insolvenzrechts sowie bei Rechtsstreitigkeiten. Einen besonderen Schwerpunkt legt Jana Essebier auf das Feld der FinTech-Innovationen, insbesondere Crowdfunding, Mobile Payment, Blockchain, und auf die rechtliche Beratung von Startups.

Darüber hinaus berät Jana Essebier einerseits Finanzmarktteilnehmer wie auch Investoren im Zusammenhang mit Derivaten, strukturierten Produkten und sonstigen Finanzinstrumenten. Sie ist eine vom Regulatory Board der SIX Swiss Exchange anerkannte sachkundige Vertreterin. Neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit publiziert und referiert Jana Essebier regelmässig zu aktuellen regulatorischen Fragestellungen. Zudem ist sie Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht bei Expert Suisse.