EY Bankenbarometer 2017

Bild: EY Bankenbarometer 2017

Die aktuelle Studie des Beratungsunternehmens EY zur Lage der Schweizer Banken bringt überraschende Einsichten.

Das Beratungsunternehmen EY nimmt jährlich den Puls der Finanzbranche. Das EY Bankenbarometer basiert auf der Befragung von 120 Führungskräften (Mitglieder der Geschäftsleitung) von verschiedenen Banken in der ganzen Schweiz, Privatbanken (inkl. Grossbanken), Auslandsbanken, Regionalbanken und Kantonalbanken.

Marktumfeld der Banken: Rückläufige Erträge bei steigenden Kosten

Banken in der Schweiz haben das Geschäftsvolumen in den letzten 15 Jahren deutlich erhöht, insbesondere auch befeuert durch Hypothekarkredite (Zunahme um 84 Prozent). Das Volumenwachstum konnte allerdings nicht in gleicher Weise in die Erfolgsrechnung der Banken transformiert werden, der aggregierte Geschäftserfolg der Banken ist in der Vergleichsperiode sogar um 7 Prozent gesunken.

Was Banken zu schaffen macht: die Erträge in den Kernaktivitäten stagnieren (bestenfalls), während die Kosten steigen. Diese Schere lässt die Produktivität der Banken sinken, eklatant sichtbar im Vergleich zu anderen Branchen, die deutlich besser performen (Nahrungsmittel, Metall, Baugewerbe etc.).

Trübe Realitäten und überraschende Erwartungen

Die Schweizer Finanzbranche steht mitten in einem fundamentalen Strukturwandel. So rechnen denn auch 87 Prozent der befragten Banken in der Schweiz mit umwälzenden Veränderungen. Die Margen im traditionellen Bankgeschäft sind unter Druck, die sinkende Profitabilität wird zu einem grundlegenden Problem. 92 Prozent der Befragten erwarten auch in Zukunft sinkende Renditen. Auf diese Herausforderungen reagierten die Banken bisher mit eher herkömmlichen Massnahmen zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung. Eine Priorisierung der Neuausrichtung von Strategien, Geschäftsmodellen und Prozessen auf Basis der sich verändernden Kundenbedürfnisse ist noch nicht erkennbar.

Erstaunlich: Trotz dieser Probleme beurteilt ein grosser Teil der Schweizer Banken die eigene Geschäftsentwicklung weiterhin positiv. 80 Prozent (im Vorjahr 81 Prozent) haben in den letzten zwölf Monaten gemäss eigenen Angaben gute operative Ergebnisse erzielt, 68 Prozent (im Vorjahr 75 Prozent) rechnen im laufenden Jahr mit weiterhin mit guten Resultaten.

Patrick Schwaller, Managing Partner FSO Assurance bei EY Schweiz, zeigt sich überrascht:

«Das überwiegend positive Urteil der Schweizer Banken überrascht, ist die Branche doch mit vielfältigen, teilweise fundamentalen Herausforderungen konfrontiert. Bis jetzt zeigen die Banken eine relativ hohe Widerstandsfähigkeit. Dennoch ist ein beunruhigender Gegentrend zu erkennen: Ein Drittel der befragten Banken schätzt den künftigen Geschäftsverlauf zunehmend negativ ein, einige rechnen mit markanten Einbussen.»
 

Negativzinsen im Privatkundengeschäft

Keine Frage, dass die Negativzinsen den Banken sehr stark zusetzen, so orten 95 Prozent der Befragten im anhaltenden Tiefzinsumfeld gravierende Konsequenzen.

Das Tabu, Negativzinsen nicht an Privatkunden weiterzugeben, dürfte bald keines mehr sein. 35 Prozent (im Vorjahr 30 Prozent) der Schweizer Banken planen die Einführung von Negativzinsen im Privatkundengeschäft, zumindest ab einem bestimmten Guthaben. Oder auch, falls die Nationalbank die Zinsen weiter senken sollte. Überraschender Gesinnungswandel bei den Kantonalbanken: bereits 60 Prozent (im Vorjahr 20 Prozent) erwägen einen solchen Schritt.

Patrick Schwaller, Managing Partner FSO Assurance bei EY Schweiz, zum Thema:

«Bis heute haben erst wenige Banken in der Schweiz Negativzinsen im Privatkundengeschäft eingeführt. Ein Grund für die Zurückhaltung ist die Befürchtung, die Kunden mit Negativzinsen zum Abzug ihrer Gelder zu bewegen. Der Gesinnungswandel der Kantonalbanken zeigt jedoch, dass die Bereitschaft vieler Institute schwindet, die durch die Negativzinsen verursachten Mehrkosten alleine zu tragen.»
 

Auswirkungen von Digitalisierung und FinTech werden massiv unterschätzt

Die Digitalisierung ist ein markanter Treiber des Strukturwandels. Bis heute erkennt jedoch nur eine Minderheit der Schweizer Banken das gesamte Potenzial und damit auch die Risiken der Digitalisierung.

Nur ein zusätzlicher Vertriebskanal?
Die Mehrheit der Befragten sind mit 64 Prozent (im Vorjahr 67 Prozent) der Meinung, dass ihr Geschäft im Kern bestehen bleibt und die Digitalisierung in erster Linie einen zusätzlichen Vertriebskanal darstellt.

Nur ein Hype?
Immerhin 10 Prozent der Banken sind der Ansicht, dass es sich bei der Digitalisierung um einen überschätzten Hype handelt, der sich wieder legen wird.

Fundamentale Revolution?
26 Prozent der Befragten sehen die Auswirkungen drastischer und glauben, dass die Digitalisierung das Finanzgeschäft im Endeffekt fundamental revolutionieren wird.

Olaf Toepfer, Partner und Leiter Banking bei EY Schweiz, fasst zusammen und warnt:

«Wir sehen heute nur die Spitze des Eisbergs: Die Digitalisierung wird fundamentale Auswirkungen auf Strategien, Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse haben. Dabei geht es nicht nur um die Ergänzung der Distributionskanäle, sondern um grundlegende Herausforderungen im Zusammenhang mit der Kundenschnittstelle und der Kooperation in Wertschöpfungsnetzwerken. Die Digitalisierung erleichtert branchenfremden Konkurrenten den Markteintritt und kann die bereits seit Jahren sinkende Loyalität der Kunden weiter schwächen.»
 

Gefahr durch branchenfremde Anbieter

Interessant, dass auf der einen Seite die Auswirkungen der Digitalisierung im Gesamten eher unterschätzt, die Gefahr durch branchenfremde Anbieter auf der anderen Seite jedoch klar erkannt wird. Diese Diskrepanz ist deshalb bemerkenswert, weil das eine mit dem anderen direkt zu tun hat.

Branchenfremde Konkurrenten setzen die Schweizer Banken unter Druck – und dieser Druck wird noch massiv zunehmen. Das sehen auch die Befragten so: Über zwei Drittel der Institute rechnen damit, dass ihre Marktstellung durch neue Technologien, IT-Unternehmen und branchenfremde Anbieter bedroht wird.

Patrick Schwaller, Managing Partner FSO Assurance bei EY Schweiz, zum Thema:

«Lange Zeit haben die Banken die Gefahr durch branchenfremde Konkurrenten nicht ernst genommen. Die Realität ist eine andere: Erste branchenfremde Anbieter erscheinen auf dem Markt und treten für ausgewählte Komponenten der Wertschöpfungskette der Banken in den Wettbewerb. Die technologische Entwicklung und zu erwartende regulatorische Anforderungen beim Open Banking erleichtern den Markteintritt. Dadurch steigt der Wettbewerbsdruck und die Margen sinken weiter.»
 

Weitere Resultate der EY-Studie im Überblick

Einige bemerkenswerte Ergebnisse und Einsichten in der Zusammenfassung zur übergeordneten Frage, wie das Banking in der Schweiz in drei Jahren aussehen wird.

Der Bankensektor in der Schweiz wird zukünftig noch deutlich mehr reguliert.

  • 47 Prozent stimmen dieser Aussage voll zu
  • 42 Prozent stimmen eher zu
  • 6 Prozent stimmen eher nicht zu
  • 5 Prozent stimmen überhaupt nicht zu

Die Aktionäre der Banken werden zukünftig geringere Renditen in Kauf nehmen müssen.

  • 50 Prozent stimmen dieser Aussage voll zu
  • 42 Prozent stimmen eher zu
  • 7 Prozent stimmen eher nicht zu
  • 1 Prozent stimmen überhaupt nicht zu

Branchenfremde Konkurrenten (IT, Mobile Phones, Internet) bedrohen die Marktstellung der Banken.

  • 18 Prozent stimmen dieser Aussage voll zu
  • 49 Prozent stimmen eher zu
  • 23 Prozent stimmen eher nicht zu
  • 10 Prozent stimmen überhaupt nicht zu

In der Schweiz wird es zukünftig deutlich weniger Bankinstitute geben.

  • 59 Prozent stimmen dieser Aussage voll zu
  • 31 Prozent stimmen eher zu
  • 8 Prozent stimmen eher nicht zu
  • 2 Prozent stimmen überhaupt nicht zu

Die Anzahl der Bankfilialen wird deutlich abnehmen.

  • 62 Prozent stimmen dieser Aussage voll zu
  • 33 Prozent stimmen eher zu
  • 4 Prozent stimmen eher nicht zu
  • 1 Prozent stimmen überhaupt nicht zu

Die Loyalität der Bankkunden wird deutlich abnehmen.

  • 30 Prozent stimmen dieser Aussage voll zu
  • 37 Prozent stimmen eher zu
  • 24 Prozent stimmen eher nicht zu
  • 9 Prozent stimmen überhaupt nicht zu

Die Preise der Bankdienstleistungen werden sinken.

  • 22 Prozent stimmen dieser Aussage voll zu
  • 30 Prozent stimmen eher zu
  • 30 Prozent stimmen eher nicht zu
  • 18 Prozent stimmen überhaupt nicht zu

Quelle: Die von der Redaktion zusammengefassten Resultate stammen durchwegs aus der Umfrage des Beratungsunternehmens EY, die im November 2016 bei 120 Führungskräften in verschiedenen Schweizer Banken durchgeführt und am 5. Januar 2017 den Medien vorgestellt worden ist: "EY Bankenbarometer 2017 – Kosten, Effizienz und Strukturwandel".
 

Stichworte zum Thema im Lexikon: Digitale Transformation | FinTech | Open Banking | API Banking

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